„Mythos New York“

 ■ Die Attentate in Amerika führten zu Absagen auf dem OL-Prisma-Festival

Als die Kulturetage Oldenburg vor mehr als zwei Jahren mit den Planungen zu ihrem nunmehr fünften Prisma-Festival begann, konnte sie nicht ahnen, welche traurige Aktualität das diesjährige Motto erlangen würde: „Mythos New York“.

Zwischen dem 17. Oktober und dem 6. November werden eine Fülle von künstlerischen Darbietungen sich um die Stadt drehen, die wie wohl keine zweite zur Projektionsfläche von Sehnsüchten und Träumen geworden ist. „Wir wollen der Frage nachgehen, was uns an New York fasziniert“, erläutert der künstlerische Leiter der Kulturetage, Bernt Wach. „Wir wollen aber auch zeigen, was sich hinter dem Mythos von Broadway und Skyscrapern verbirgt.“

Die Anschläge auf das World Trade Center haben sich unmittelbar auf die Programmgestaltung ausgewirkt. Veranstaltungen mussten ausfallen, etwa die als Matinee geplanten „Spaziergänge durch das literarische New York“. „Man kann bei einem Streifzug durch Manhattan nicht so tun, als ob nichts gewesen wäre“, erklärt Bernt Wach. „Die Terroristen haben mehr zerstört als zwei Gebäude und unzählige Menschenleben.“

Auch der Schulprojekttag „Deutsche in Amerika“ wurde gestrichen: „Den Lehrern ist das Thema im Moment zu heiß. Sie wollen sich auch kritisch mit den USA auseinandersetzten, halten Kritik aber im Moment für nicht angebracht“, so Bernt Wach. Auch die Choreographin Christine Witte hat ihre „New York Stories“, geplant als getanztes Interview, abgesagt. Die Eigenproduktion der Kulturetage, das Theater-Stück „Ein Tag in New York“, ist in anderer Weise betroffen. „Der Schluss wurde umgeschrieben, der 11. September explizit aufgenommen“, sagt Cordelia Wach, in der Kulturetage zuständig für Film und Literatur.

Das trotz der Absagen immer noch sehr umfangreiche Programm (im Netz zu finden unter www.kulturetage.de) deckt verschiedene Sparten ab. Es umfasst unter anderem eine Tanzperformance, Filmnächte zum amerikanischen Kultautor Paul Auster, Jim Jarmusch und Woody Allen, Lesungen mit Christian Brückner, aktuellen Jazz aus New York, Aufführungen des 1951 gegründeten „Living Theater“ sowie Gershwin- und Weill-Songs von Jocely B. Smith.

Die Organisatoren ließen offen, inwiefern sie kurzfristig noch Veranstaltungen aufnehmen, die sich mit den Folgen des Terrors in der Hudsonmetropole beschäftigen. „In jedem Fall gibt es die Möglichkeit, mit den New Yorker Künstlern zu diskutieren“, sagt Wach.

So eröffnet das Oldenburger Festival vielleicht eine bescheidene Möglichkeit, die traumatisierenden Ereignisse zu bewältigen, indem es sich mit der Vergangenheit New Yorks, aber auch mit seiner Zukunft auseinandersetzt. Bernt Wach: „Paul Auster und Woody Allen haben sich bereits in der Presse geäußert. Die künstlerische Verarbeitung selbst ist viel schwieriger. Dennoch hoffe ich, dass die dem Humanismus verpflichteten Künstler ihre mahnende Stimme erheben werden gegen übereilte Reaktionen.“ Thomas Gebel