Rathaus für Appel ohne Ei verkauft

■ Kraft Foods darf für einen Spottpreis am Rathaus werben

Bremen ist nicht Berlin: Dort zahlt die Telekom monatlich 350.000 Mark für die Platzierung seines Logos auf dem Brandenburger Tor. Aber auch in Bremen sollte man rechnen können. Kraft Foods zahlt für seine Milka-Werbung auf dem Rathaus 100.000 Mark: Für ein Jahr und etwa die Hälfte der 1.100 Quadratmeter Rathausfront. Auch für Bremer Verhältnisse ist das ein Spottpreis: Mit 60.000 Menschen, die täglich den Marktplatz überqueren, ist die Werbung in Bremens bester Lage präsent. Nach Angaben der Deutschen Städte Marketing würde auch die zweitbeste Bremer Werbefläche – nämlich an der Hochstraße – unter marktüblichen Bedingungen ein Vielfaches kosten. Für ein 80-Quadratmeter-Poster sind dort fast 20.000 Mark monatlich zu zahlen, bei Jahresbelegung ist möglicherweise ein Rabbat um 25 Prozent zu erhandeln. Im Klartext: Schon ein Zehntel der Rathauswerbefläche kostet marktüblich das Doppelte dessen, was Kraftfoods zahlen muss. Dieses Missverhältnis ändert sich selbst dann nicht wesentlich, wenn man die Kosten für die Produktion einer stadteigenen Plane miteinrechnet.

Solche Vergleiche möchte der Senat aber gar nicht erst anstellen. Senatssprecher Klaus Schlösser verweist auf das kulturelle Engagement des Konzerns in der Stadt – etwa in Bezug auf die Kammerphilharmonie – das eine Sonderbehandlung rechtfertige. (Andere BremerInnen erinnern sich bei diesem Stichwort auch an die überaus günstigen Bedingungen, mit denen Kraft Foods seine Immobilie einstmals von der Stadt erwerben konnte – Anmerkung des Archivs). Klaus Sondergeld, Chef der Bremer Marketing Gesellschaft (bmg), der den Werbe-Vertrag mit Kraft Foods ausgehandelt hat, geht noch einen Schritt weiter: Bremen müsse sich explizit auch als Milka-Stadt bekannt machen, um Touristen anzulocken. Klaus Schlösser formuliert es so: „Wenn wir für Milka werben, werben wir praktisch für uns selber.“ So gesehen stelle die Rathaus-Plane „kein kommerzielles Projekt“ dar.

Bürgerschafts-Präsident Christian Weber (SPD) findet die Plane zwar „sehr dominant“ aber „erträglich“, wäre sich in Bezug auf eine privatwirtschaftliche Umhüllung des Parlaments allerdings „unschlüssig“. Seine CDU-Kollegen scheinen zwischen Rathaus und Bürgerschaft noch strenger zu unterscheiden: Der Fraktionsvorstand sprach sich erst kürzlich gegen ein 40-Quadratmeter-Poster am Parlament aus, mit dem die Kunsthalle auf ihre Van-Gogh-Ausstellung aufmerksam machen wollte.

Einzig Bremens Klein-Opposition, die Grünen, wagt direkte Kritik am Rathaus-Milka-Deal. Fraktions-Chefin Caroline Linnert: „Wenn man sich schon verkauft, dann sollte man das wenigstens zu marktüblichen Preisen tun. Und wenn die bmg meint, das Rathaus als Milka-Haus vermarkten zu müssen, hat sie dessen Wert nicht erkannt.“

Fazit: Ein früher vorhandenes Bewusstsein für die Trennung von öffentlichen und privaten Interessen – nicht umsonst verlangt etwa der Presse-Kodex die strenge Trennung von Anzeigen und redaktionellen Texten – scheint in Bremen zu verschwinden. Kraft-Foods-Pressesprecher Rolf Sauerbier: „Über integrierte Kommunikation wird viel geredet ... Wir praktizieren sie offensichtlich so erfolgreich, dass wir jetzt den Kommunikationspreis 2001 erhalten.“ Die Laudatio der gestrigen Preisverleihung in der oberen Rathaushalle hielt passenderweise der Bürgermeister.

Henning Bleyl