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: HELMUT HÖGE über Partisanen

Die PUB und ihr Dipl.-Part.

Es mag vielleicht verwundern, dass ausgerechnet jetzt – kurz nach dem Terror-Attentat auf das World Trade Center – der Initiativausschuss zur Gründung der „Partisanen-Universität Berlin“ (PUB), die nach sechs Semestern ein Diplom im Partisanentum (Dipl.-Part.) vergibt, tagte. Allein, die Initiative ist schon älter und der Termin im Herbst stand lange fest (beispielsweise hing er an der taz-Fahrstuhl-Wandzeitung und im Café Burger am Frauen-Stammschminktisch aus, dort widmet sich auch noch die Zeitschrift „Gegner“ der Partisanenforschung).

Recht eigentlich verdankt sich die Uni-Initiative der Selbstauflösung der Sowjetunion, mit der die bolschewistische Deutungshoheit über das Partisanentum zerfiel. Seitdem ist nicht nur die geradezu gigantische alte Partisanen-Literatur im Ostblock quasi vogelfrei, es vergeht auch kein Tag, an dem nicht irgendwo ein neues Partisanenbuch erscheint. Zum einen stammen sie oft von israelischen Forschern (hier leitet sich die staatliche Wehrhaftigkeit direkt vom Warschauer Ghettoaufstand her), sowie auch von feministischen Forschern, die sich aus dem nahezu weltweiten Widerstand gegen die Deutschen nun ihre partisanischen Heldinnen gleichsam rausklauben. Zum anderen studiert jetzt aber auch das Militär weltweit das Partisanentum, weil die Kriege zwischen den Staaten Bürgerkriegen und untergründigem Terror weichen – und das Militär sich in Partisanen-Bekämpfungseinheiten verwandelt, d.h. sich selbst dem Partisanentum anverwandelt.

Gleichzeitig werden die alten Praktiken der Illegalen jedoch auch für die Young Urban Professionals bis hin zu den neuen Men in Sportswear interessant. Die Stadtguerilla als Überlebensführer. Für die linken Intellektuellen – von Jacques Derrida bis Paul Pain - sind die Computerfreaks und Hacker die neuen Partisanen. Siemens, DaimlerChrysleretc. organisieren bereits die ersten Abwehr-Kongresse gegen deren „Cyberterrorismus“. Der amerikanische Geschäftsmann J. C. Levinson propagiert derweil das „Guerilla-Marketing“ (für kleine und mittlere Unternehmen) – bereits in der dritten Auflage. Und während einerseits der einst an Ché Guevaras Guerillatheorie angelehnte „Focus-Verlag“ in Gießen damit plötzlich reich wurde, dass er den Partisanen-Kampfbegriff „Focus“ an Burda und an Ford verkaufte, haben sich andererseits die Buchläden „Schwarze Risse“ (Berlin) und „Association“ (Hamburg) in die Partisanenaufklärung gestürzt. Einmal mit einem eigenen Verlag und zum anderen mit der Webpage „info-partisan“. Mit letzterem kommt man auch an entlegene Detailstudien heran – z.B. über den Partisanenkampf in Kärnten – sowohl von slowenischer als auch von österreichischer Seite.

Wegen des Buchmessen-Schwerpunkts wird es heuer viele Bücher über den noch andauernden griechischen Partisanenkampf geben. Mit den weißrussischen Partisanen beschäftigt sich immer noch Wassil Bykau, der neuerdings in Köpenick politisches Asyl gefunden hat. Auch Anatol Asolski beschäftigt sich in seinem neuen Roman „Blut“ mit dem wirren Frontverlauf in einem weissrussischen Dorf 1941-44. Der Berliner Historiker Christian Gerlach hat dazu gerade eine über 1.000 Seiten dicke Untersuchung der deutschen Vernichtungspolitik vorgelegt . . .  Genug. Die Partisanen-Uni nun will das Wissen um Theorie und Praxis des Partisanentums weiter vertiefen. Das einmal im amerikanischen Unabhängigkeitskampf seinen Anfang nahm, dann – wie bekannt – von Lenin im Bürgerkrieg verworfen wurde (später dann noch einmal von der DDR-NVA in der maoistischen Milizvariante) und nun gar zu einer postmodernen Lebenseinstellung geworden ist – wenn man dem Heiner-Müller-Schüler Thomas Martin folgen will, der dabei jedoch eher den rechten Partisanentheoretiker Ernst Jünger vom Hochwald in den Großstadtdschungel verpflanzt hat.