Pillen gegen zu kleine Penisse

Zwanzig Mark Eintritt, sieben Mark für ein Fischbrötchen, 30.000 Mark Gebühr für einen Stand und 124.000 Mark für einen Garten mit Fliegenpilzen – angesichts hoher Kosten liegen nicht nur bei Ausstellern die Nerven bloß. Ein Tag auf dem Art Forum

von KIRSTEN KÜPPERS

Die Erotikmesse wäre billiger gekommen. Eine Tageskarte der 6. internationalen Messe für Gegenwartskunst „Art Forum Berlin“ kostet zwanzig Mark. Das ist teurer als fast alle anderen Veranstaltungen dieser Art in der Stadt, denkt man. Die Tage sind mild und es liegt wohl an der Melancholie des Herbstes, dass man gerade jetzt eigenes Einkommen und Lebenszeit gegen die allgemeine Verlorenheit des Daseins aufrechnet. Immerhin verspricht die jährliche Kunstmesse für zwanzig Mark ein hoffnungsvolles Konsumerlebnis. Denn hier gilt die Kunst als Einkaufsangebot.

Zwischen schachtelförmig arrangierten Stellwänden haben Galerien aus 28 Ländern ihre Waren aufgebaut. Bilder, Installationen und Videos wurden von 172 Ausstellern mit Preisschildern versehen. Und beim Anblick der Besuchergruppen, die entspannt durch die weiten Hallen des Messegeländes schlendern, fühlt man sich zunächst tatsächlich an einen schönen Nachmittag im Supermarkt erinnert.

Die Fülle der Ausstellungsobjekte lässt auf angenehme Weise jede museale Erfurcht vor Kunst verschwinden. Unförmige Metallskulpturen drängeln sich vor Ölgemälden, Teddybären und lärmenden Bildschirmen. Eine Kunststoffpuppe ist als Hamburger verkleidet. Gleich am Eingang verteilt eine Praktikantin Handzettel aus einer Bretterbude heraus. Und weiter hinten verkaufen freundliche Damen Matjesheringe.

Aber trotz allem Entgegenkommen von Seiten des Messepersonals dauert es nicht lange, bis sich beim Besucher ein schales Gefühl des Überfordertseins einstellt. Überhaupt sind nur wenige Kunstobjekte erschwinglich. Der Garten voller Fliegenpilze kostet zum Beispiel 124.000 Mark. Man denkt an den Nachbarn, der einem vorher erklärt hatte, dass figurative Kunstwerke in Krisenzeiten als Investition gelten, während „die ganze politische Aktionskunst ja jetzt im Müll landet“.

Auch die Galeristen tun sich schwer mit guter Laune. Seit seinem Bestehen sieht sich das Berliner Art Forum in Konkurrenz zu den etablierten Kunstmessen in Köln, Basel oder Mailand. Allerdings ziehe die Berliner Veranstaltung schon allein deswegen weniger kaufkräftige Kundschaft, „weil in der Hauptstadt immer noch kaum jemand die Messe kennt, nicht einmal die Taxifahrer“, erzählt ein Galerist traurig. Die Gebühr für seinen Stand beträgt 30.000 Mark. Und angesichts der hohen Kosten liegen auch bei anderen Ausstellern die Nerven bloß. In Halle 21 schreit eine Galeristin eine Kollegin an, viele betrinken sich auch einfach mit dem Prosecco für die Kunden.

Freilich ist es ja gerade eine Aufgabe von Kunst, in schwachen Momenten Lebensmut zu geben. Eine Galerie aus New York verkauft hierfür farbige Pillen zum Preis von zehn Euro. Die Tabletten sollen gegen hässliche Kinder oder zu kleine Penisse helfen. An einem anderen Messestand können sich Besucher auf einer Schaukel beruhigen.

Nach einer Weile kommt einem die Auseinandersetzung mit Welt recht beliebig vor. Eine schwere Müdigkeit sinkt herab. Und es ist wohl kein Zufall, dass auch viele andere Menschen erschöpft und versunken vor irgendwelchen Videoleinwänden stehen. Man selbst ertappt sich beim Starren auf eine Fotoserie leerer tschechischer Landschaften. Für den Nachhauseweg kaufen sich manche Besucher noch für sieben Mark ein Fischbrötchen.

Das Art Forum auf dem Messegelände ist noch bis Sonntag von 12 bis 20 Uhr zu sehen.