Flotte Kugel

Die deutschen Hockey-Männer wollen in eine neue Ära starten. In Berlin zeigen sie sich dabei auf bestem Weg

BERLIN taz ■ Zwei schwere Spiele binnen 15 Stunden – ein Profifußballer würde das als ziemliche Zumutung empfinden. Für einen Hockeyspieler hingegen ist es Alltag, fast an jedem Bundesligawochenende wird so verfahren, auch bei den großen internationalen Turnieren wie EM oder WM ist das Programm eher dicht gedrängt – aus Kostengründen. Da füllt sich der Terminkalender eines Nationalspielers von ganz alleine ziemlich prall mit allerlei Verpflichtungen. In Berlin zum Beispiel bereitet sich die Herren-Nationalmannschaft gerade auf die im November stattfindende und von Pakistan nach Rotterdam verlegte Champion’s Trophy vor – mit vier Spielen in sechs Tagen: Bereits am Dienstag gab es ein 0:1 gegen Weltmeister und Olympiasieger Niederlande, nur einen Tag später ein 3:1-Triumph gegen selbigen Gegner. Heute und morgen wiederum stehen kaum weniger strapaziöse Tests gegen Vizeweltmeister Spanien an.

Bernhard Peters, seit dem enttäuschenden Abschneiden der deutschen Herren bei Olympia in Sydney – Goldkandidat Deutschland erreichte lediglich Rang fünf – Nachfolger von Hockey-Ikone Paul Lissek, geht in der Ausübung seines Amtes eigene Wege. Zwar hat der 41-Jährige mit seinem Vorgänger schon als Junioren-Bundestrainer jahrelang intensiv zusammengearbeitet, eine Zeit, die ihn, wie Peters findet, unheimlich geprägt habe. Aber: „Wenn man älter wird, dann entwickelt man einfach eigene Vorstellungen.“

Seine Vorstellungen haben den Deutschen Hockey-Bund (DHB) überzeugt, obwohl Lissek der Szene als weltbester Hockey-Coach gilt – und sein Vertrag keineswegs gerade auslief. Der ganz große Erfolg für die deutschen Herren liegt allerdings auch schon wieder eine ganze Ecke zurück: 1992 in Barcelona gewann der DHB Olympia-Gold unter Lisseks Regie, ein lobenswertes Ziel, das man sich auch 1996 und 2000 gesetzt, jeweils aber auch deutlich verpasst hatte. Lissek gilt zwar als ausgezeichneter Taktiker und Perfektionist, in seiner Kommunikationsfähigkeit allerdings wurden ihm zuletzt Defizite nachgesagt. Bei der Berufung Peters’ ins Bundestraineramt mag auch das eine Rolle gespielt haben.

Der Krefelder Peters hat, so die Eindrücke aus den beiden Partien gegen die Holländer, bisher nicht viel falsch gemacht. Das deutsche Wirken zeichnet sich derzeit durch schnelles und sicheres Kombinationsspiel sowie Offensivhockey aus. Verantwortlich dafür zeichnen vor allem die jungen Spieler, die bisweilen schnell, witzig, ideenreich und individuell zaubern; Peters weiß ganz genau, wie wichtig diese jungen Wilden für jene flotte Spielweise sind. Und er hat sich vorgenommen, die Spielerbasis zu verbreitern. So testet er auch in Berlin erneut den ein oder anderen Juniorenspieler, durch die Mithilfe altgedienter Führungspersönlichkeiten wie Kapitän Florian Kunz oder Christian Mayerhöfer ist die Integration zudem bereits erfreulich weit gediehen.

Ohnehin ist es das Ziel des Neuen, zweigleisig zu fahren: Peters will mit seiner Arbeit über den Spielfeldrand hinausschauen – und dort mehr als nur den Hockeyspieler sehen. Neben der hockeytechnischen Ausbildung seiner Schützlinge möchte der Diplomsportlehrer gemeinsam mit dem DHB die Vermarktung des Produktes Hockey vorantreiben. Dabei spielt für Peters eine entscheidende Rolle, wie seine Spieler Ausbildung und Leistungssport unter einen Hut bringen. „Die jungen Leute stellen auf dem Spielfeld und im normalen Leben unter Beweis, dass sie alle Qualitäten besitzen, die im Berufsleben gefragt sind: Biss, Ehrgeiz, Engagement, Führungsqualitäten und die Fähigkeit, unter Druck die richtige Entscheidung zu treffen.“ Genau das gelte es Firmen, potenziellen Arbeitgebern für die meist studierten Spieler, und Sponsoren nahe zu bringen. Ganz nebenbei möchte sich der DHB auf diesem Weg die Zukunft sichern.

Was im Nachbarland Holland schon ähnlich perfekt funktioniert wie die Strafecken dort, steckt hier zu Lande noch in den Kinderschuhen. Wohl auch deshalb, weil der deutsche Verband noch vor zwei Jahren vor dem finanziellen Kollaps stand. Beim DHB scheint man das Problem erkannt zu haben, die neue Führungsspitze um DHB-Präsident Christoph Wüterich jedenfalls arbeitet Hand in Hand mit ihrem Trainer- und Betreuerstab zusammen.

Sportlich soll schon im November in Rotterdam die Weichenstellung Richtung WM im nächsten Jahr in Kuala Lumpur erfolgen. „Wir wollen dort Akzente setzen“, nennt DHB-Vizepräsident Jo Hürter die Ambitionen, fügt jedoch an: „Auch da gibt es Pfosten und Latte.“ Nach Sydney ist man vorsichtig geworden beim DHB. CLAUDIA KLATT