Touristin in der eigenen Stadt

■ Laurie Anderson präsentiert heute in der Musikhalle ihr neues Album „Life on a String“. Die taz hamburg sprach vor dem 11. September mit der New Yorkerin

Da schildert die New Yorker Sängerin, Komponistin und Multimedia-Performerin Laurie Anderson, wie sicher sie sich in ihrer Heimatstadt fühle, um nur kurze Zeit später auf drastische Weise eines Besseren belehrt zu werden. Ein Gespräch mit der Künstlerin, die heute Abend mit ihrem jüngsten Album Life on a String in der Musikhalle gastiert – geführt vor dem 11. September.

taz hamburg: Sie sind mit neuem Programm auf Tournee, Ihrem ersten Album seit 1994. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?

Laurie Anderson: Ich war lange mit einer Performance zu Herman Melvilles Roman Moby Dick beschäftigt. Ursprünglich wollte ich dazu auch eine Platte aufnehmen. Nichts gegen Melville, ich liebe sein Werk, aber bald war ich die miefigen Matrosen und deren Probleme einfach satt. Ich dachte, keine Sekunde bleibe ich in diesem verdammten 19. Jahrhundert. Stattdessen habe ich dann mit Life on a String eine sehr persönliche Platte gemacht, über meine Erfahrungen, über mein Leben in New York.

Was faszinierte Sie so an dieser Person des Käpt'n Ahab?

Er ist jemand, der Verantwortung trägt und darüber fast wahnsinnig wird – wir Amerikaner kennen solche Charaktere zur Genüge. Es bedarf nicht viel Fantasie, wer damit in der Realität gemeint sein kann.

Sind Sie Ihrer Heimatstadt in ähnlicher Weise verbunden wie etwa Woody Allen?

Könnte man sagen, ja. Ich hatte vor einiger Zeit den Auftrag, einen Beitrag über New York für die Encyclopedia Britannica zu schreiben und war deshalb sehr viel in der Stadt unterwegs. Wenn man so will, sind die neuen Songs eine Reportage, auch eine Entdeckungsreise. Denn wie sich herausgestellt hat, wusste ich bislang nur sehr wenig über New York. Eine Touristin in der eigenen Stadt.

Ist es ein Klischee zu glauben, New York sei gefährlich?

Nun, es ist auf eine neue Art dort gefährlich geworden. New York ähnelt heute eher einer Stadt wie Minneapolis, sie haben schöne Parks angelegt, mit – was ich als Hundehalterin besonders schätze – speziellen Auslaufmöglichkeiten für unsere Lieblinge. Andererseits kann es passieren, dass man in solch einem Park auf der Stelle verhaftet wird, bloß weil man Zeuge eines Haschisch rauchenden Pärchens wurde. Meinem Videoregisseur ist das jüngst geschehen. Obwohl ältere Damen nicht mehr überfallen werden, ist der Friede in dieser Stadt also durchaus trügerisch.

Was sind die neuen Themen, die Sie auf der Bühne präsentieren werden?

Es wird eine musikalische Umsetzung dessen sein, was mit meiner unmittelbaren Lebensumgebung zu tun hat. Und das fängt meist mit der denkbar einfachsten Einleitung an: Man beschreibt, wo man sich gerade aufhält. Da mein Atelier direkt am Hudson River liegt, kommt das Inselmotiv häufig vor – wie bei Melville übrigens, wie ich gerade erstaunt feststellen muss. Interview: Tom Fuchs

heute, 20 Uhr, Musikhalle