Time To Say Goodbye

■ Von einer ersten , letzten Begegnung mit der Bremer Institution Mark Scheibe, die sich rauschend nach Berlin verabschiedete

Eines gleich vorweg. Ich kannte zwar die „Feinen Herren“ vom Hörensagen, hatte Freunde von „The Black Rider“ schwärmen hören und vor einigen Jahren auch selbst einmal „Gianni, Ginetta und die anderen“ gesehen – aber ansonsten habe ich es geschafft, die letzten sechs Jahre in dieser Stadt zu leben, ohne der Institution Mark Scheibe näher zu begegnen. Wie das passieren konnte? Keine Ahnung.

Und jetzt also das: Mark Scheibe entschwindet Richtung Berlin und veranstaltet zum Schluss mit Freunden, Weggefährten und Gästen im Jungen Theater einen großen Abschiedsabend. Im gnadenlos überfüllten Güterbahnhof bin ich wie erwartet allein unter „Eingeweihten“. Man kennt und begrüßt sich, während die Schlange an der Kasse nicht kürzer zu werden scheint. Im Saal werden erste Extra-Stühle aufgestellt, die Treppen sind ohnehin schon besetzt und als schließlich – mit einer lockeren halben Stunde Verspätung – Fanfarenklänge ertönen und das Licht ausgeht, drängelt sich am Eingang noch das Grüppchen derer, die für Mark Scheibe auch Stunden stehend ausharren.

And there he is. Mit schneeweißem Anzug, quietschrotem Rüschenhemd und headphone springt Mr. Scheibe auf die Bühne, haut erst mal ordentlich in die Tasten und schreitet dann zur Begrüßung: „Entschuldigen Sie die Verspätung, aber wir haben uns hinter der Bühne etwas verquatscht, da haben wir Sie glatt vergessen...“. Erstes dankbares Lachen aus dem bestgelaunten Publikum, denn was immer in den folgenden Stunden geboten wird, so unterschiedlich es sein mag, nie ist es ohne Humor.

Sie alle einzeln aufzuzählen wäre müßig, eine detaillierte Beschreibung jedes einzelnen Programmpunktes dieses langen Abends schlichtweg sinnlos. Zu viel gab es zu sehen und vor allem zu hören. Susanne Schrader beweist ihre Domina-Qualitäten ... Nomena Struß lässt The Black Rider wieder aufleben ... Cora Frost singt von Magic Doris mit dem kleinen grünen Rucksack ... „Alphonse“ französelt von Flugzeugen und Tiefkühlhühnern ... die Liste ließe sich endlos weiterführen. Immer dabei: Christopher Klemme hinterm Schlagzeug, Dirk Lüking am Kontrabass und natürlich Mark Scheibe, der Mittelpunkt, der sich an seinem Flügel verausgabt, mitsingt und moderiert.

Alles in allem ein verrücktes Feuerwerk voller Ideen, Kuriositäten und Schmuckstückchen, und wer sein Abschieds-Ständchen zum Besten gegeben hat, bleibt einfach sitzen. So füllt sich zu fortschreitender Stunde die Bühne immer mehr, – und wenn Mark Scheibe ganz zum Schluss die Hymne auf den „Haltepunkt“ anstimmt, dann singt nicht nur die ganze Bühne, sondern auch der gesamte Saal mit verklärtem Blick die Zeilen mit. Und ich, die ich dieses Lied nun zum ersten Mal höre, beschließe, dass es letztendlich nie zu spät für eine Entdeckung ist. Bodil Elsner