dinner for one
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von RALF SOTSCHECK

Mein Freund Aribert geht gern ins Restaurant. Solange es freiwillig ist. Neulich saß er jedoch vier Tage lang auf Skellig Michael fest, einer kleinen Felsinsel vor der irischen Südwestküste, weil die Fähre wegen eines Sturms den Verkehr eingestellt hatte. Am Hafen gab es nur ein einziges Restaurant – mit Blick auf die tosende See. Von den 25 Tischen waren höchstens fünf besetzt. Die Tourismussaison war vorbei, wer hier dinierte, war nicht rechtzeitig vor dem Sturm weggekommen. Eine Kellnerin und ein Kellner kümmerten sich um die gestrandeten Gäste.

Die junge Kellnerin trug 20 Armreifen, die lauthals hinunterklackerten, wenn sie servierte, und wieder heraufklackerten, wenn sie danach den Arm hob. Aribert, der seinen Teller eher übersichtlich mag, winkte ab, als sie die gesamte Mahlzeit vom Serviertablett auf seinen Teller häufen wollte. Das war ein Fehler: Die Kellnerin verschwand mit dem Tablett in der Küche. Aribert sah den Rest seines Essens nie wieder, sondern musste sich mit der homöopathischen Portion begnügen. Offenbar bekam man in dem Restaurant keine zweite Chance.

Der Kellner, ein spindeldürrer Mann mittleren Alters, war geräuschärmer als seine klackernde Kollegin. Der einzige Lärm, den er verursachte, war das Quietschen der doppelten Schwingtür, hinter der die Bar lag. Und zu der zog es ihn jedesmal, nachdem er einen Gang serviert hatte, um sich mit einem Schnaps für den nächsten Gang zu wappnen. Jedesmal kam er ein wenig betrunkener zurück. Ist Freddy Frinton in diesem Restaurant auf seine Idee zu „Dinner for one“ gekommen? Nach zwei Stunden, Aribert war inzwischen beim Nachtisch angelangt, war der Kellner duhn und lehnte an der Wand, mühsam um sein Gleichgewicht bemüht.

Dennoch vernachlässigte er seine kellnerische Pflicht keineswegs. Als er bemerkte, dass sich die ältere Dame an Ariberts Nachbartisch eine Zigarette in den Mund gesteckt hatte und ihr Ehemann seine Jackentasche nach Streichhölzern durchwühlte, zückte der Kellner geschwind sein Sturmfeuerzeug, sprang mit einem Riesensatz an den Tisch und warf das Feuerzeug an. Unglücklicherweise steckte bei der Frau noch die rote Papierserviette im Ausschnitt, und weil der Kellner nach so vielen Schnäpsen nicht mehr richtig zielen konnte, zündete er versehentlich die Serviette an. Im Nu brannte sie lichterloh. Die Frau stieß einen gellenden Schrei aus, der Ehemann betrachtete derweil staunend seine brennende Gattin.

In seiner Panik griff der Kellner nach der Karaffe mit dem Eiswasser und schüttete es der Frau ins Dekolleté. Nun schrie sie noch lauter, weil ihr einige Eiswürfel ins Kleid gerutscht waren. Nach einem Blick auf den Ehemann nahm der Kellner davon Abstand, die Eiswürfel eigenhändig herauszufischen. Ihm war selbst in seinem Zustand klar, dass er kein Lob für seine Geistesgegenwärtigkeit erwarten konnte, und so zog er sich vorsichtshalber wieder in die Bar zurück.

Am nächsten Tag fuhr das Boot endlich wieder. Der zündelnde Ex-Kellner war als erster Passagier an Bord.