DIE BEWÄHRUNGSPROBE STEHT DEN GRÜNEN NOCH BEVOR
: Weg ins Unbekannte

Wenn die Grünen häufiger so differenziert argumentierten wie jetzt auf ihrem Länderrat, dann fände die Partei vielleicht aus ihrer Krise heraus. Die Resolution zur außenpolitischen Lage, die grundsätzlich den Kurs der Bundesregierung stützt, trägt auch Bedenken derer Rechnung, die Terror nicht mit Militär bekämpfen wollen. Die Bedeutung des Völkerrechts wird darin betont, Racheakte werden abgelehnt und gerechtere Welthandelsbeziehungen gefordert. Es fand also keine Zerreißprobe statt, sondern es wurde um einen innerparteilichen Konsens gerungen. Aber die wahre Bewährungsprobe dürfte noch bevorstehen, denn zum einen waren ja bis Samstag gar keine Militäroperationen bekannt geworden, über die sich konkret streiten ließ – und zum anderen hat die Versammlung wichtige Themen ausgeklammert.

Die öffentliche Diskussion blieb in letzter Zeit weitgehend auf die Frage beschränkt, ob und an welchen Einsätzen sich die Bundeswehr beteiligen sollte. Das ist eine sehr provinzielle Frage, wie jetzt die Meldung zeigt, die USA hätten bei der Nato Awacs-Überwachungsflugzeuge angefordert. Die Maschinen sollen angeblich nach Nordamerika verlegt werden, um US-Kräfte für die militärische Operation im nationalen Alleingang freizusetzen. Die Erklärung des Bündnisfalls, die von den Grünen ausdrücklich mitgetragen wird, ist aber eben gerade kein nationaler Alleingang. Sie setzt Information und Beratung voraus. Wenn die anderen Nato-Länder bereit sind, die Vereinigten Staaten militärisch zu unterstützen, ohne zu wissen, wobei, dann verstehen sie sich nicht als Partner, sondern als Untertanen.

Immerhin ist Bundeskanzler Gerhard Schröder von den USA vorab über den bevorstehenden Angriff informiert worden. Die nächsten Tage werden hoffentlich erweisen, wann und wie umfassend diese Information erfolgte. Es ist Aufgabe der Regierungsparteien, eine Haltung zu dem zu finden, was die USA im Namen des Bündnisses, also auch im deutschen Namen, tun. Ohne genaue Kenntnis der Militäroperationen ist das nicht möglich. Wenn die nicht besteht, bekommen Resolutionen wie die des grünen Länderrates eine neue Bedeutung: Sie wären dann kein Ausweis mäßigender Vernunft, sondern dienten lediglich der Legitimation eines Weges ins Unbekannte. BETTINA GAUS