Philippsburg II vorübergend stillgelegt

Betreiber verharmloste zunächst Ausfall von drei Vierteln des Notkühlsystems und schaltet Reaktor nun freiwillig ab

FRANKFURT/BERLIN taz ■ Die Betreibergesellschaft des Atomkraftwerkes Philippsburg, die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), nimmt den Reaktorblock II spätestens heute abend vom Netz. Das teilte das Bundesumweltministerium gestern in Berlin mit. Nachdem Ende vergangener Woche bekannt geworden war, dass die EnBW auf einen Störfall Ende August nicht entsprechend der Sicherheitsvorschriften reagiert hatte, drohte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) mit einer vorübergehenden Stilllegung des Reaktors. Dem ist die EnBW nun mit dem freiwilligen Abschalten zuvor gekommen.

Am 25. August waren drei von vier Flutbehältern für die Kühlung des Reaktors bei Störfällen ausgefallen, doch die EnBW nahm den Reaktor – entgegen der Vorschriften – nicht vom Netz. Dass das Sicherheitssystem für den Atommeiler nicht reibungslos funktionierte, war den Reaktorfahrern an dem Tag aufgefallen, doch ließen sie die Anlage weiter laufen. Erst zwei Tage später stellten sie fest, dass in drei der vier Flutbehälter die für eine ausreichende Kühlung notwendige Konzentration von Borsäure fehlte. Der Reaktor hätte spätestens dann sofort vom Netz genommen werden müssen. Doch EnBW entschied sich dafür, das Notkühlsystem bei laufendem Reaktor zu reparieren.

Gestern mussten Vertreter der EnBW bei Trittins Staatssekretär Rainer Baake (Grüne) erscheinen um ihr weiters Vorgehen offen zulegen. Nach dem Gespräch kündigte die Unternehmensvertretung an, den Block II in Philippsburg solange abzuschalten, bis die Ursachen für den Zwischenfall geklärt sind. Damit ziehe die EnBW die richtige und unausweichliche Konsequenz aus dem was passiert ist, sagte ein Vertreter des Bundesumweltministeriums gestern gegenüber der taz. Wie lange Philippsburg II still stehen werde, war gestern noch völlig offen. Entscheidend sei, so das BMU, dass die Vorgänge komplett aufgeklärt werden. Die EnBW müsse die Ursachen für die Mängel im Sicherheitssystem klären und nachweisen, dass ein Wiederholungsfall ausgeschlossen sei.

Sauer über das „vorschriftswidrige Verhalten“ von EnBW war auch der für die Atomaufsicht zuständige Landesumweltminister Ulrich Müller (CDU). Doch anders als Trittin, hält Müller das Risiko für „sehr gering“, dass es während der Ausfälle der drei Flutbehälter zu einer Atomkatastrophe in Philippsburg hätte kommen können. Das meint auch die EnBW selbst. Zu keiner Zeit habe ein Sicherheitsrisiko bestanden. Der Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz erstattete Strafanzeige gegen die EnBW wegen Verstoß gegen das Strahlenschutz- und Atomgesetz.

KPK/KE