herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ über das Reiterspiel Buzkashi

Der Sport der Fusselbärte

Was in England der Fußball und hierzulande der Angsthasenfußball, nämlich Nationalsport, ist in Afghanistan ein Reiterspiel namens Buzkashi. So zumindest hab ich’s im Internet gelesen, als ich neulich das Suchwort „Afghanistan“ besurfte. Ich wollte mal gucken, was dort noch so alles platt gemacht werden kann, damit es anschließend wieder aufgebaut werden muss, wie es ja von der Allianz gegen den Terror angekündigt und von deren Industrien fest einkalkuliert ist.

Buzkashi also. Wer dachte, die sportlichen Vorlieben der Afghanen seien vor allem in den Disziplinen Steinigen, Hängen, Köpfen, Vierteilen, Verstümmeln und so weiter zu suchen, hat falsch gedacht. In meinem Internet jedenfalls werden sie nicht als landestypische Sportarten geführt. Vielleicht hat ja die Tatsache, dass Hinrichtungen in diesem Land gelegentlich in Stadien stattfinden, zu der Annahme geführt, sie seien dort so eine Art Volkssport. Zumal bei den Exekutionen häufig auch Publikum anwesend ist, das die Henker anfeuert, wie man das sonst nur von Sportveranstaltungen kennt. Auch für die Mutmaßung, dass Hinrichtung, wenn schon nicht der afghanische, so doch womöglich der talibanische Lieblingssport sein könnte, findet sich kein Hinweis.

Treiben die Taliban überhaupt Sport? Gibt man die Suchbegriffe „sports“ und „taliban“ ins Internet ein, meldet es lediglich, dass die Fusselbärte ihren Frauen sportliche Betätigung strikt verbieten; das wusste ich bereits. Dass die Taliban Sportzuschauern vorschreiben, beim Anfeuern immer „Allah-o-Akbar“ (Gott ist groß) zu rufen, wusste ich hingegen nicht. Gilt das etwa auch für das Anfeuern von Henkern?

Aber zurück zum Nationalsport Buzkashi, dessen Champion man übrigens einen „Chapandaz“ nennt. Selten ist ein Chapandaz jünger als 40. So lange braucht’s normalerweise, bis er genügend Erfahrung gesammelt hat, um in dem als sehr hart und gefährlich beschriebenen Reitsport eine Schnitte zu kriegen. Und so in etwa funktioniert Buzkashi: Das Sportgerät ist eine tote Ziege. Diese muss reitenderweise aufgeklaubt und in einen Zielbereich verbracht werden, woran sich die Bouzkashi-Reiter gegenseitig zu hindern versuchen. Das klingt einfacher, als es offenbar ist. Zuweilen sollen die Matches eine Woche dauern. Deshalb: Aufgemerkt, Sportfernsehrechteverwerter! Und jetzt schon mal die Buzkashi-Senderechte im wiederaufzubauenden Afghanistan gesichert! Bei Fernsehübertragungszeiten von bis zu einer Woche dürfte sich das lohnen.

Neben Buzkashi werden im Internet als weitere special Sportarten der Afghanen genannt: Tent-Pegging, Kite-Fighting und Topay-Danda, das als „a similar to stick-ball“ beschrieben wird, also als eine Art Hockey, wenn mich mein englisch-deutsches Wörterbuch nicht täuscht. Wie es das im Fall von Tent-Pegging zunächst tat, weil es Tent-Peg als „Zeltpflock“ bezeichnet, ich somit Tent-Pegging mit „Zeltpflocking“ übersetzte und mir vorstellte, dass es sich um eine wettkampfartige Variante von Camping handelt. Tatsächlich ist Tent-Pegging ebenfalls ein Reitersport. Statt mit toten Ziegen wird mit Holzpflöcken gespielt. Beim Kite-Fighting schließlich lässt man bunte Steigdrachen gegeneinander kämpfen. Dazu werden sie von ihren Haltern so gegeneinander manövriert, dass sich ihre Halteschnüre aneinander reiben, bis eine reißt.

Fußball spielen sie übrigens auch in Afghanistan. Von den 21 Begegnungen, die ihre Nationalmannschaften bisher absolvierten, endeten drei unentschieden. Die übrigen 17 wurden z. T. haushoch verloren. Vielleicht sollte sich auch Rudi Völler, so wie Rudolf Scharping das für seine Truppe längst tut, Afghanistan als nächsten Gegner wünschen.

Fotohinweis:Fritz Tietz, 42, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheite und treibt gelegentlich Sport.