Verfilmt Springer!

Mit ihrem gefühligen TV-Zweiteiler „Der Verleger“ (voraussichtlich heute und morgen, jeweils 20.15 Uhr) will die ARD niemandem wehtun – und verpasst damit die Chance, sich durch Doku-Kompetenz von den Privatsendern abzugrenzen

von JÖRG PETER

Selbst auf Nachfrage wollte der – mit dem WDR koproduzierende – NDR die Höhe der Produktionskosten nicht nennen. Intendant Professor Jobst Plog fand das sogar „natürlich“, was gerade bei einer öffentlich-rechtlichen Anstalt verwundert. Denn es handelt sich schließlich um die – zumindest zeitlich – zweimal abendfüllende TV-Verfilmung der wichtigsten Lebensjahre Axel Springers, dem seinerzeit größten Verleger Deutschlands und Europas.

Immerhin verständlich wird der Vorgang nach Ansicht der 170 Filmminuten: Plog muss befürchten, Kritiker könnten dem NDR wegen dieser Produktion fehlinvestierte Gebührengelder vorwerfen. Die TV-Verfilmung beschränkt sich auf die Jahre 1945 bis 1980 – anders als die Buchvorlage von Michael Jürgs („Der Fall Axel Springer“, 1995), die das gesamte Leben Springers behandelt. Mit Heiner Lauterbach in der Hauptrolle bezieht sich „Der Verleger“ zwar eindeutig auf den Gründer des Axel Springer Verlages, vermeidet jedoch tunlichst die Nennung seines Nachnamens. So soll eventuellen Verletzungen von Persönlichkeitsrechten mit entsprechenden juristischen Konsequenzen vorgebeugt werden.

Scheidungen als Gag

Der „unpolitische“ Verleger wolle die Welt verändern, nicht als „Realist“ Realitäten schlicht verwalten! Durch diese Überzeugung gelangt er zum Versuch der direkten politischen Einflussnahme, er will die deutsche Teilung aufheben. Allerdings rät ihm Adenauer sogar persönlich davon ab, Chruschtschow aufzusuchen. Das hindert ihn überhaupt nicht. Doch hat er damit keinen Erfolg beim russischen Oberhaupt und wird brüsk abgewiesen. Seine vier Scheidungen übrigens werden im Film gar zum Running-Gag.

Zu wenig echte Überraschungen bietet „Der Verleger“, nur dürr skizziert wird beispielsweise die langjährige Freundschaft Axel C. Springers mit Willy Brandt. Andere Details seines Lebens, wie die offensichtliche Neigung zu außerehelichen Affären, werden, ohne Bemühungen um ihre Hintergründe, einfach nur vorgeführt.

Der Film ist insgesamt zwar nicht schlecht, die ersten 85 Minuten sind sicherlich etwas zu episodenhaft geraten, aber das gleicht der zweite Teil mit größerer Dichte und fesselnden Szenen wieder aus. Auch die Leistung Heiner Lauterbachs als Axel Springer ist für Schwächen der Verfilmung nicht verantwortlich, denn sie kann – im Rahmen des Drehbuchs – überzeugen.

Wesentlich problematischer dagegen ist die unkritische oder zumindest wenig überraschende Auswahl und Inszenierung der Stationen des Verlegerlebens. Regisseur Bernd Böhlich (u. a. „Mobbing – Die lieben Kollegen“, 1995) setzt nicht auf die kritisch-distanzierte Form der Dokumentation, sondern einen gefühligen TV-Spielfilm, der sich angesichts des ergiebigen Themas aber weit unter Wert präsentiert.

Vor allem die häufigen Gesangseinlagen berühren peinlich – sie sind fast eines volkstümlichen Musicals würdig, stehen aber ohne jeden Bezug zum Leben der Hauptperson. War Springer ein Liebhaber solchen Liedguts – „Der Verleger“ enthält sich einer Antwort.

ARD verpasst Chance

Und so könnte dieser Zweiteiler auch auf Sat.1 laufen, ohne allzu sehr aufzufallen. Vielleicht hätten sich die Macher doch besser für eine Dokumentation oder – als Kompromiss – wenigstens für ein Doku-Drama entscheiden sollen. Warum denn nicht mit so prominenter Hauptfigur und wichtigen Ereignissen der jüngeren deutschen Geschichte eine unterhaltsam ernsthafte Dokumentation mit Spielfilm-Elementen „wagen“? Eine bessere Gelegenheit gibt es gar nicht! Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender nicht einmal eine solche Chance zur inhaltlichen Abgrenzung gegenüber den privaten Sendern nutzen, welche dann?

Zumal ein Etat der Größenordnung mehrerer „Tatort“-Folgen zur Verfügung gestanden habe, wie Intendant Plog am Ende immerhin einräumt. Bei allem Verständnis für den NDR, anstrengenden Diskussionen zur Verwendung von Gebühren ausweichen zu wollen: Die Interessenlage der zahlenden Zuschauer erfordert es, in manchen Fällen Programmkosten hartnäckig zu hinterfragen und eine Veröffentlichung zu fordern. „Der Verleger“ ist ein solcher.