Versuch mit einer „Ehe auf Probe“

In Polen wollen Linksallianz und Bauernpartei jetzt gemeinsam regieren, das aber möglicherweise nur auf Zeit

WARSCHAU taz ■ Neun Stunden brauchte der polnische Bauernführer Jaroslaw Kalinowski, um seine Partei davon zu überzeugen, dass eine erneute Koalition mit der Demokratischen Linksallianz (SLD) sinnvoll sein würde. Morgen soll der Koalitionsvertrag zwischen Bauernpartei (PSL) und dem Parteienbündnis aus SLD und Arbeitsunion (UP) unterzeichnet werden. Dennoch überwiegen in der einen wie der anderen Partei die Skeptiker. Zwar beruhigte Leszek Miller, SLD-Chef und designierter Ministerpräsident, dass „diesmal alles anders“ werde als vor acht Jahren, doch auch er weiß, dass die Arbeiter-und-Bauern-Koalition keine „Traumhochzeit“, sondern eine „Ehe auf Probe“ ist.

Sollte sich zeigen, dass die PSL wieder jede tiefgreifende Reform verhindern will, könnte dies eine rasche Trennung bedeuten. Eine Minderheitsregierung könnte zumindest in EU-und Haushalts-Fragen auf die konservative „Staatsbürger-Plattform“ (PO) zählen.

Denn anders als vor acht Jahren sind diesmal im Sejm zwei Bauernparteien vertreten: die PSL mit knapp neun Prozent der Stimmen und die radikale „Selbstverteidigung“ (Samoobrona) mit über zehn Prozent. Die EU-skeptische PSL wird in der Koalition mit der EU-freundlichen SLD-UP auch Gesetze verabschieden müssen, die Polen der EU näher bringen. Diese Politik aber wird sofort die zweite Bauernpartei im Sejm, die „Selbstverteidigung“, auf den Plan rufen. Sie wird der PSL auf Schritt und Tritt „Verrat an den Bauern“ vorwerfen. Für die PSL könnte dies den weiteren Verlust an Popularität unter den Bauern bedeuten, am Ende gar das Aus.

Tatsächlich unterscheiden sich gerade in Schlüsselfragen die Vorstellungen der Bauern von denen der SLD-UP erheblich. So will die PSL einem Beitritt Polens zur EU nur unter der Bedingung zustimmen, dass alle Bauern Polens Subventionsempfänger Brüssels werden. Auch soll die EU Produktionsquoten anerkennen, die Polen zum drittgrößten Agrarproduzenten der EU aufsteigen ließen. Schließlich sollen ausländische Investoren gehindert werden, in Polen Agrarland vor Ablauf von 18 Jahren Wartezeit zu erwerben.

Die SLD-UP hatte vor den Wahlen signalisiert, dass sie in all diesen Punkten nachgeben wolle und in Brüssel die Hoffnung ausgelöst, dass es mit den Verhandlungen flotter vorangehen könnte. Nun sieht alles danach aus, als könnte Polen das Klassenziel verfehlen und bei der ersten Erweiterungsrunde 2004 nicht dabei sein. GABRIELE LESSER