Absturz in den Tod

Eine Kollision zweier Flugzeuge auf dem Mailänder Flughafen fordert mehr als 100 Opfer. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Fahrlässigkeit

ROM taz ■ Vermutlich mehr als 100 Todesopfer forderte gestern morgen ein schweres Flugzeugunglück auf dem Mailänder Flughafen Linate. Um 8.15 Uhr kam es dort auf der Startbahn zur Kollision zwischen einer Linienmaschine der skandinavischen Gesellschaft SAS und einer Cessna, die sich im Besitz einer deutschen Gesellschaft befand.

Bei dichtem Nebel befand sich das SAS-Flugzeug - eine McDonnel Douglas MD 80 - in der Startphase, als die Cessna die Startbahn kreuzte. Das Kleinflugzeug mit zwei wahrscheinlich deutschen Piloten und zwei italienischen Passagieren an Bord hatte die Starterlaubnis für einen Flug nach Paris erhalten. Offenbar streifte die skandinavische Maschine mit Flugziel Kopenhagen direkt nach dem Abheben mit ihrem Fahrwerk die Cessna, driftete ab und stürzte auf einen Hangar. Augenzeugen sprachen von drei Explosionen, denen eine enorme Stichflamme folgte. Sowohl das Flugzeug als auch der Hangar brannten sofort aus.

Von den Insassen der beiden Flugzeuge überlebte niemand das Unglück. An Bord des SAS-Flugs befanden sich 104 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder. Über die Identität der Fluggäste wurde zunächst nur bekannt, dass 48 aus Italien und 56 aus anderen Ländern stammten. In den Trümmern der Cessna starben vier Menschen: neben den beiden Piloten zwei Passagiere aus Frankfurt.

Vollkommen unklar war noch am Nachmittag die Zahl der Opfer unter den im Hangar Beschäftigten. In der Halle wurden Gepäckstücke sortiert. Augenzeugen sagten, sie hätten Menschen mit in Flammen stehenden Kleidern aus dem Hangar laufen sehen. In Mailands Krankenhäuser waren in den Stunden nach dem Unglück nur zwei Verletzte eingeliefert worden; zugleich sprachen Italiens Fernsehsender von bis zu 70 Vermissten.

Angesichts der Dynamik der Kollision schlossen Italiens Behörden sofort einen terroristischen Hintergrund aus. Die Staatsanwaltschaft Mailand nahm Ermittlungen wegen fahrlässiger Herbeiführung eines Unglücks auf. Die Maschine habe „sich nicht da befunden, wo sie hätte sein sollen, als sie getroffen wurde“, erklärte ein Sprecher des italienischen Innenministeriums. Als wahrscheinlichste Unfallursache gilt menschliches Versagen des Cessna-Piloten, der offenbar im Nebel auf dem Rollfeld die Orientierung verloren und deshalb die Startbahn der anderen Maschine gekreuzt hatte. Aber auch ein Defekt am Bodenradar des Flughafens Linate wurde zunächst nicht ausgeschlossen. MICHAEL BRAUN