Die Rosinenbomber kamen aus Ramstein

US-Luftwaffe bombardiert Afghanistan mit „kulturell angepasster“ Nahrung. Hilfswerke: „Nutzlos und gefährlich“

BERLIN taz ■ Sie sind leuchtend gelb und tragen die Aufschrift „Eine Essensgabe des Volkes der Vereinigten Staaten von Amerika“. Sie enthalten, so das Pentagon, „nahrhafte, kulturell angepasste und kostengünstige“ Mahlzeiten, eine kleine US-Flagge, einen Plastiklöffel, einen Hinweis auf die Herstellerfirma Rightaway Foods (Texas) sowie eine illustrierte Gebrauchsanweisung. Sie fallen dieser Tage zu Zehntausenden aus dem Himmel über Afghanistan: Lebensmittelpakete des US-Militärs für die afghanische Bevölkerung.

„Wir bombardieren sie mit Bomben und wir bombardieren sie mit Essen“, erklärte der pensionierte Generalmajor Don Shepperd gestern im US-Sender CNN: „Das ist Teil der Militärstrategie“. Die USA wollen mit dem Abwurf von 37.500 Lebensmittelpaketen am ersten Tag des Militärschlags ihren humanitären Willen beweisen. In jedem Paket ist der Lebensmittelbedarf einer Person für einen Tag enthalten. „Zwei vegetarische Hauptmahlzeiten, die vor allem auf Linsen, Bohnen und Reis aufgebaut sind, und Beilagen wie Brot, ein Schokoriegel, Erdnussbutter und Gewürze“ sind im Pentagon-Menü enthalten. Als Vorspeisen gibt es „Bohnen mit Tomaten, Bohnen mit Reis und Bohnensalat“.

Doch der Abwurf von Hilfspaketen ist umstritten. Pakete, die wie Steine vom Himmel fallen, können Menschen erschlagen – und Pakete mit Fallschirm landen oft weit von der Zielperson entfernt. Das Pentagon lässt solche Bedenken nicht gelten: „Das gelbe Plastikpaket ist so konstruiert, dass es zum Boden segelt, nachdem ein Transportflugzeug es abgeworfen hat.“ Diesmal waren es zwei Transporter aus dem deutschen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein.

Nach Meinung der meisten Hilfsorganisationen gibt es kaum eine schlechtere Art, Bedürftige zu versorgen. Denn es ist damit zu rechnen, dass nicht die Schwächsten die vom Himmel regnenden Hilfsgüter aufsammeln, sondern die Stärksten, die sie dann weiterverkaufen können. Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ erklärte gestern, die Abwürfe „während nächtlicher Luftangriffe“ seien „nutzlos und möglicherweise gefährlich“.

Zudem kostet nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms WFP der Abwurf einer Tonne Hilfsgüter rund 1.200 Dollar (2.550 Mark) – viel mehr als auf dem Landweg. Für sinnvoll hält das WFP Lebensmittelabwürfe aus der Luft in Afghanistan höchstens nach dem Beginn des Winters Mitte November, wenn viele Wege nicht mehr passierbar sind.

Die US-Hilfsflüge erhöhen auch nicht die Menge der verfügbaren Lebensmittelhilfe in Afghanistan. Denn wegen der gleichzeitigen Militärschläge haben die in dem Land tätigen UN-Hilfsorganisationen ihre Lebensmitteltransporte gestern auf unbestimmte Zeit komplett eingestellt. „Wir haben aus Sicherheitsgründen heute keinen Transport auf die Reise geschickt“, sagte WFP-Sprecherin Christiane Berthiaume gestern in Genf. Bisher schickte das WFP täglich rund 500 Tonnen Hilfsgüter nach Afghanistan und plante, die Menge demnächst zu verdreifachen.

Jetzt kommt stattdessen überhaupt nichts mehr. In seiner Stellungnahme äußert „Ärzte ohne Grenzen“ die Befürchtung, „dass die Vermischung von militärischen Operationen mit humanitärer Hilfe die ohnehin schon schwierigen Bedingungen für die humanitäre Hilfe weiter verschärfen wird“.

DOMINIC JOHNSON