Letzter Tango mit neuen Herren

Erste Sitzung der neuen Bürgerschaft. Mit Rosen für die Damen und gleich einem erste Krach um das Präsidium  ■ Von Peter Ahrens

Am Anfang war der Gottesdienst. Die drei Spitzenkandidaten des Rechtsblocks holten sich ges-tern Nachmittag in der Messfeier zu Beginn der Legislaturperiode in St. Jakobi erst den Segen der Kirche, bevor sie anschließend in der Bürgerschaft erstmals ihre neue Mehrheit ausprobierten.

Um 16.10 Uhr wurde die SPD erstmals seit Menschengedenken bei einem Antrag in der Bürgerschaft überstimmt. Die Zusammensetzung des Parlaments-Präsidiums um die wiedergewählte Vorsitzende Dorothee Stapelfeldt (SPD) war der Test, an der CDU, Schill und FDP die neuen Machtverhältnisse exekutierten. Für die weniger gewordenen Frauen in der Bürgerschaft gab es Rosen von der GAL-Abgeordneten Verena Lappe, die FotografInnen balgten sich um Ronald Schill, der auf Ole von Beusts altem Platz in der Mitte rechts im Parlament Platz nahm, FDP-Novize Rudolf Lange musste sich in eine Bank mit SPD-Gewerkschafter Uwe Grund quetschen - es ist nicht mehr vieles so wie bei der letzten Bürgerschaftssitzung der alten Wahlperiode vor gut einem Monat.

Nur die Senatsbank ist noch einmal mit dem alten Personal besetzt. Ortwin Runde folgt dem Formalien-Marathon ohne große Regung. Auch als es um die von der neuen Mehrheit verlangte Ausweitung des Präsidiums zum ersten Krach kommt, sitzen er und seine abgewählten SenatskollegInnen fast unbeteiligt da. Bausenator Eugen Wagner steht ein letztes Mal neben der Senatsbank, so wie er es fast 19 Jahre lang getan hat. Deutschlands dienstältester Minister ist einer der wenigen aus der SPD-Riege, der auch als Abgeordneter dem neuen Parlament weiter angehören wird. Runde, Mirow, Peschel-Gutzeit, Nümann-Seidenwinkel - für sie alle ist es der letzte Tango. Innensenator Olaf Scholz ist zur ersten Bürgerschaftssitzung der neuen Wahlperiode gar nicht mehr erschienen.

Jetzt haben die anderen das Sagen. Ronald Schill sagt ausgerechnet als ersten Satz am Rednerpult in der Bürgerschaft: „Ich möchte gern etwas zur Beruhigung der Gemüter beitragen“, doch im Streit um das Präsidium mag ihm das nicht so recht gelingen.

SPD-Fraktionschef Holger Christier, ebenfalls nur noch an diesem Tag im Amt, sieht durch den Antrag von CDU, FDP und Schill (siehe Text unten) „die einfachsten politischen Umgangsformen außer Kraft gesetzt“, FDP-Konteradmiral Rudolf Lange mault zurück: „Sie werden sich noch wundern, was Sie hier noch alles zu hören bekommen werden“ und jammert ansonsten darüber, dass es die Bürgerschaftsverwaltung nicht hinbekomme, seiner Fraktion im Rathaus „mehr als acht Quadratmeter Arbeitsfläche zur Verfügung zu stellen“. CDU-Mann Berndt Röder vermisst bei der SPD-Fraktion „jeglichen Benimm“, als sie ihn durch Zwischenrufe stört.

Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt sprach nach ihrer Wiederwahl davon, „auch weiterhin das Parlament nach innen zu einen und nach außen zu vertreten“. Ihre Aufgabe dürfte schwieriger geworden sein. Man könnte auch sagen: Es wird spannender.

Peter Ahrens