Tagung zur Kinderkrankenpflege
: Stimmen für die Frühchen

■ Experten tagen heute im St.-Jürgen-Krankenhaus / Neues Entgeltsystem bedroht die Qualität der Versorgung

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Erst recht nicht, wenn sie krank sind. Dann benötigten Kinder eine medizinische Behandlung, die ihrem Entwicklungsstand angepasst sei, betont Gabriele Thiele, die Klinikpflegeleiterin des Zentalkrankenhauses Sankt-Jürgen-Straße. Wie eine kindgerechte Behandlung sichergestellt werden kann, diskutieren heute 180 KinderpflegerInnen auf einer bundesweiten Tagung im Haus der Bürgerschaft.

Auf dem Kongress werden auch einige Therapieformen vorgestellt, die in der Kinderklinik des Krankenhauses Sankt-Jürgen-Straße praktiziert werden. Zu früh geborenen Kindern im Brutkasten wird hier die Stimme der Mutter vorgespielt, um den Kontakt zwischen Mutter und Kind zu simulieren. Schon in der 18. Schwangerschaftswoche seien die Ohren der Ungeborenen so weit entwickelt, dass sie die Stimme ihrer Mutter hören könnten, sagt die Musiktherapeutin Marie-Luise Zimmer. Der Erfolg dieser Behandlung bestehe nicht nur darin, dass die Frühchen viel schneller das Laufen, Krabbeln und Sitzen lernen. Diese Therapie versteht Helga Loest, die Leiterin des zentralen psychologischen Dienstes am Zentralkrankenhaus, zugleich als Gewaltprävention. Denn die Eltern von Frühgeborenen neigen laut Loest überdurchschnittlich oft zu Gewalt gegenüber ihren Kindern.

Auch in der Schmerztherapie bemüht man sich in der Kinderklinik des Zentralkrankenhauses Sankt-Jürgen-Strasse um kindgerechte Lösungen. Während lange Zeit angenommen worden sei, dass Kinder nach einer Operation keine oder weniger Schmerzen verspürten als Erwachsene, werde jetzt das Schmerzempfinden der Kleinen beobachtet und aufgezeichnet, erklärt die Kinderkrankenschwester Jutta Ohlms.

Ein zentrales Thema der Tagung ist, wie die Qualität der Kinderpflege erhalten werden kann, wenn ab 2003 an den Krankenhäusern ein neues Entgeltsystem eingeführt wird. Helga Loest befürchtet, dass die Therapien, die neben der körperlichen Verfassung auch die Psyche und die sozialen Beziehungen der Patienten berücksichtigen, vernachlässigt werden könnten.

Denn das neue Finanzierungssystem für die Krankenhäuser ist auf Fallpauschalen aufgebaut. Wenn die psychosozialen Aspekte in das neue Entgeltsystem keinen Eingang fänden, „sind wir auf dem besten Weg, das Medizinsystem an die Wand zu fahren“, warnt Loest.

Peter Ringel