Kollateralschaden Rot-Rot

Der Krieg in Afghanistan fordert im Wahlkampf Opfer: Die SPD überdenkt die Regierungsfähigkeit der friedensbewegten PDS. Ablehnende Signale kommen aus dem Willy-Brandt-Haus und aus der zweiten Reihe. Nur Spitzenkandidat Wowereit schweigt

von ROBIN ALEXANDER

Beginnen wir heute ausnahmsweise einmal nicht mit den Fakten, sondern mit den Interpretationen. „Der Dresdener Parteitag hat keine Auswirkungen auf ein mögliches Regierungsbündnis der Gysi-Partei mit den Berliner Sozialdemokraten“, schreibt der Tagesspiegel in diesen Tagen. Die konkurrierende Berliner Zeitung kommt zum genau entgegengesetzten Schluss: „Die Berliner Sozialdemokraten gehen nach der Kritik der PDS an dem US-Militäreinsatz in Afghanistan auf Distanz zu dem möglichen Koalitionspartner.“ Die Einschätzungen widerspechen einander, seit sich die Frage nach dem Wochenende neu stellt. Auf ihrem „Friedensparteitag“ in Dresden stellte sich die PDS gegen militärische Aktionen der Vereinigten Staaten. Und geriet damit in einen Widerspruch zur SPD, der die „Solidarität“ mit den USA zur Zeit als höchste Form der Staatsräson gilt. „Dramatisches Versagen“, nannte SPD-Generalsekretär Müntefering die PDS-Haltung und erklärte die Partei für dauerhaft „nicht koalitionsfähig“ – auf Bundesebene wohlgemerkt. So weit, so klar. Aber was heißt das für Berlin?

„Es wird jetzt schwieriger, die PDS in Koalitionsüberlegungen einzubeziehen“, erklärt Christian Gaebler, stellvertretender SPD-Fraktionschef. Landesparteichef Peter Strieder lässt hingegen die Linie ausgeben, in Berlin werde keine Außenpoltitik gemacht. Und meint: Die rot-rote Option ist nicht beeinträchtigt. Wie es wirklich um diese Möglichkeit steht, bleibt offen. Denn der entscheidende Mann gibt keine Stellungnahme: Klaus Wowereit, mit PDS-Stimmen gewählter Regierender Bürgermeister, schweigt. Seit Tagen.

Dafür redet Michael Müller, Wowereits Nachfolger im Amt des SPD-Fraktionsvorsitzenden und Vertrauter des Regierenden. Vor Journalisten rügte Müller gestern das „Herumeiern“ der PDS. Der Spitzenkandidat der Postkommunisten, Gregor Gysi, habe „nicht nur zur äußeren und inneren Sicherheit keine feste Haltung“. Auch in anderen Fragen habe sich Gysi im Wahlkampf als unzuverlässig erwiesen. Hierzu rechnet der SPD-Fraktionsvorsitzende den Bau eines internationalen Großflughafens in Schönefeld, der von Gysi in Frage gestellt worden war, ebenso wie die Zielvorgabe einer raschen Fusion der Bundesländer Brandenburg und Berlin, die Gysi ebenfalls nicht eindeutig genug befürworte.

Die eigentliche Gefahr für ein rot-rotes Regierungsbündnis nach den Wahlen am 21. Oktobersprach auch Müller nicht aus. Die Umfragewerte der PDS sinken tendenziell. Sollte trotz einer erstarkten SPD rot-rot gemeinsam nur über eine knappe Mehrheit der Sitze im Abgeordnetenhaus verfügen, wird eine Koaltion unwahrscheinlicher. Radikalere Positionen – vertreten von einer schwächer werdenden Partei. Müller zieht daraus folgenden Schluss: „Nach dem 11. September ist die Einigung mit der PDS schwerer geworden.“