Castor: rollt

Anti-AKW-Bewegung kritisiert aktuellen Atommülltransport. Proteste nicht zahlreich

von NICK REIMER

Neue Argumente auf der einen, Business as usual auf der anderen Seite: Seit Dienstagnacht rollt der erste Atommüll-Zug im „Attentatszeitalter“. Durch Norddeutschland kutschierten zwei Behälter aus dem AKW Brunsbüttel und drei aus Stade. Im Süden waren Container aus Mülheim-Kärlich unterwegs. Nach Redaktionsschluss sollte der gekoppelte Zug die deutsch-französische Grenze zwischen Wörth und Lauterburg passieren.

„Es ist ein eklatanter Widerspruch, dass die Sicherheitsbehörden einerseits Bedrohungsszenarien für die Bevölkerung produzieren und andererseits einen hochgefährlichen Transport auf Reise schicken“, kritisiert Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Kampagne „X-tausendmal quer“. Greenpeace-Experte Veit Bürger sekundiert, die Transportbehälter böten keinerlei Schutz bei Anschlägen. „Das gilt sowohl für Castoren, mit denen radioaktiver Abfall nach Gorleben gebracht wird, als auch für die NTL-Container, die deutschen Atommüll zur Wiederaufbereitung transportieren.“

Auf der anderen Seite betonte Gelassenheit: „Die Lageeinschätzung des Bundesinnenministeriums hat absolut keine Erkenntnisse über terroristische Vorbereitungen oder Aktivitäten ergeben“, erklärt BGS-Sprecher Reiner Urban. Deshalb der Transport. Zwar sei auf Internetseiten der Anti-AKW-Bewegung zu Gleisblockaden aufgerufen worden. „Die Ressonanz war aber eher gering.“ An fünf Stellen in Norddeutschland und im rheinischen Neuwied hatten einige Dutzend Aktivisten die Züge kurzzeitig aufgehalten. Ihr Protest sei „richtig friedlich“, gewesen, sagt Urban. Und die Verspätung ist nicht so schlimm: „Es geht bei den Transporten nicht um ein ‚So schnell wie möglich‘, sondern um ein ‚So sicher wie möglich‘.“ Was übrigens nichts Neues sei.

Neu allerdings ist die Stimmung in der SPD. Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Buß (SPD) nannte den Transport „jetzt nicht sinnvoll“. Und Michael Müller, Fraktionsvize im Bundestag, fordert, die Transporte bis auf weiteres auszusetzen.

Dennoch laufen die Vorbereitungen für den Anfang November geplanten Rücktransport aus La Hague nach Gorleben unverändert weiter. Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling (SPD) erklärte, in der gegenwärtigen Situation „ist das staatliche Leben in keiner Weise eingeschränkt“. Sowieso sei die Gefahr in Niedersachsen geringer als etwa in Berlin. Bartlings Berechnungsgrundlage: die vielen in Berlin lebenden islamischen Fundamentalisten. Auch die Gewerkschaft der Polizei hält den Transport für machbar. Bedingung allerdings sei, dass 15.000 Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet einsetzbar sind.

Damit die diesmal besser untergebracht sind als im Frühjahr, ist derzeit Polizei-Bezirkspersonalrat Ralf Munstermann auf Kontrolltour. Der größte Teil der Wohncontainer für 5.400 Polizisten steht bereits. Munstermann: „Ich habe ein weitaus positiveres Bild als im März.“ Der Castor-Transport nach den Attentaten – er wird viel besser.