Türkei zieht in Krieg

Parlament in Ankara billigt die Entsendung türkischer Spezialeinheiten nach Afghanistan. Einsatzzeitpunkt offen

ISTANBUL taz ■ In einer Sondersitzung billigte gestern das türkische Parlament die Entsendung türkischer Soldaten nach Afghanistan. Das Ersuchen der Regierung wurde mit 319 Ja- gegen 101 Neinstimmen angenommen. Nach Presseinformationen gibt es eine Forderung der USA an die türkische Regierung, Spezialeinheiten, die im Anti-Guerilla-Kampf ausgebildet sind, nach Afghanistan zu verlegen. Nach türkischen Medienberichten soll die Truppe zwischen 300 und 800 Mann stark sein. Verteidigungsminister Cakmakoglu erklärte, dass „nun nicht sofort Soldaten geschickt“ würden. Ob und wann welche Einheiten mit welchem Ziel entsendet würden, werde die Regierung später beschließen.

Obwohl in der türkischen Bevölkerung die Bombardierung Afghanistans überwiegend abgelehnt wird und laut Umfragen über 80 Prozent sich gegen die Entsendung eigener Truppen aussprechen, haben sich im Parlament nur die beiden islamischen Oppositionsparteien eindeutig gegen eine Ermächtigung der Regierung zum Truppeneinsatz ausgesprochen. Die bürgerliche Rechtsopposition unter Tansu Ciller, die DYP, will den Einsatz lediglich zeitlich auf maximal 6 Monate begrenzen. Redner der Regierungsparteien zeigten sich von der Aussicht, direkt in den Krieg in Afghanistan verwickelt zu werden, zwar auch nicht besonders begeistert, meinten aber, es sei für die Türkei letztlich doch besser, aktiv beteiligt zu sein, wenn die Karten in der gesamten Region neu gemischt werden. Bereits in der Vergangenheit hatte die Türkei die usbekische Minderheit in der Nordallianz unterstützt und ihrem Chef Dostum in Ankara ein sicheres Quartier bereitet.

Für die USA sind offenbar sowohl türkische B- und C-Waffen-Spezialisten von Interesse als auch Soldaten mit Kampferfahrung aus den Bergen im Südosten der Türkei, wo so genannte Özel-Teams jahrelang Guerillatrupps der PKK jagten. In einem Interview mit CNN-Türk schwärmte ein US-Militär geradezu von den besonderen Kenntnissen, die türkische Truppen in jahrelangem Kampf erworben hätten. Nach Informationen der größten Tageszeitung, Hürriyet, die enge Kontakte zum türkischen Generalstab hat, brauchen die USA vor allem erfahrene Hubschrauberpiloten, die sich in Bergregionen auskennen.

JÜRGEN GOTTSCHLICH