Späte Visite am Ground Zero

Kanzler Schröder versucht sein spätes Erscheinen in New York durch starke Worte und nette Gesten auszugleichen. Seine „Brücke New York–Berlin“ kommt besser an als militärische Hilfszusagen

aus New York ANDREAS ZUMACH

„Spät kommt er, doch er kommt. Obwohl der Weg nicht länger war als für Blair und Chirac.“ Mit diesem leicht veränderten Zitat aus Schillers „Wallenstein“ reagiert der deutschstämmige Tabakhändler im Süden Manhattans, als am Dienstagabend die Wagenkolonne von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Besichtigung von Ground Zero anrollt. Der Besuch des deutschen Regierungschefs vier Wochen nach den Terroranschlägen stößt in der Umgebung der Trümmerlandschaft des einstigen World Trade Centers zwar auf wohlwollendes Interesse. Doch fast überall wird daran erinnert, dass die Regierungschefs aus Großbritannien und Frankreich bereits in den ersten Tagen nach dem 11. September angereist waren.

Ähnliche Bemerkungen sind auch im UN-Hauptquartier und in Washington zu hören, wo der deutsche Kanzler vor seiner Besichtigungstour in Südmanhattan mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan sowie mit Präsident George W. Bush zusammentraf. Schröder bemüht sich, die Verspätung durch kräftige Worte und Symbolik zu kompensieren. Über die Trümmerlandschaft zeigt er sich „schockiert“, spricht von einem „Monument des Grauens“ und äußert sein „Unverständnis, dass Menschen eine solche Tat bewusst geplant und ausgeführt haben“.

In Anlehnung an die Luftbrücke, über die die USA nach dem Zweiten Weltkrieg das eingeschlossene Westberlin versorgten, bietet der Kanzler dem New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani eine „Brücke New York–Berlin“ an: Tausend Kinder von Opfern der Anschläge sollen sich in Berlin erholen. Dieser Austausch soll auch dazu beitragen, dass die direkten Flugverbindungen zwischen den beiden Städten aufrechterhalten werden.

Giuliani habe Schröders Angebot „sofort angenommen“, heißt es aus dem Stab des Kanzlers. Über die militärischen Offerten oder gar Zusagen, die er Präsident Bush über deutsche Awacs-Aufklärungsflugzeuge hinaus gemacht hat, wollte sich Schröder nicht äußern. Deutsche Zeitungsberichte, wonach er Bush See-Fernaufklärungsflugzeuge, Transall-Maschinen zum Abwurf humanitärer Güter über Afghanistan sowie Fuchs-Panzer zum Aufspüren chemischer und biologischer Substanzen angeboten hat, wurden in Berlin heftig dementiert. Aus US-Quellen war zudem zu erfahren, dass derzeit kein Interesse daran besteht.

Soweit die USA auf Unterstützung bei der Seefernaufklärung angewiesen sind, wird diese Aufgabe von den Kanadiern übernommen. Die Regierung in Ottawa verkündete einen Tag vor Schröders US-Besuch mit großen Fanfaren ihren militärischen Beitrag zum Krieg gegen den Terrorismus. Die deutschen Transall-Maschinen sind nach Einschätzung des Pentagons für den – auch in den USA – umstrittenen Abwurf von humanitären Gütern wenig geeignet. Die deutschen Fuchs-Spürpanzer könnten dann für Washington interessant werden, wenn der Krieg auf den Irak oder andere Länder ausgeweitet werden sollte, die mutmaßlich über chemische oder biologische Waffen verfügen.