Den Zeh stoßen und sofort sterben

■ Unkritisch, aber unterhaltsam: 24 Kurzgeschichten namens „Und alles danach“ werden vorgestellt

Und alles danach ist beliebig und jung. In erster Linie aber eine Sammlung von 24 Kurzgeschichten nach dem Motto „egal was, aber bitte sofort“. Das Erzähltempo der Geschichten ist hoch, zumindest, wenn die JungautorInnen erzählen. Tun sie das nicht, schreiben sie so selbstreferentiell-schlaue Sätze wie „Es ist, wie es ist. Der Schriftsteller stellt das Anrecht, kompliziert, kaputt und schwierig zu sein“ (Wolfgang E.E. in Ufos über Favoriten). Oder: „Frauen: Entweder sie machen Probleme oder sie brechen Dir das Herz“ (Stefan Boskamp in Interregnum).

Gebrochene Herzen sind keine Probleme, da sie den Helden dieser beiden Geschichten genauso oft zustoßen, wie sie Koks schniffen: ständig. Zum Problem wird das nur, wenn nicht mehr genug davon da ist. Oder wenn der Tod droht, allerdings der „banale und kleine Tod nebenbei, nicht im Geschützfeuer für eine gute Sache“ (Stefan Boskamp). Mit dieser Heldenrhetorik wussten auch schon die Krachts und Stuckrad-Barres dieser Welt eine Linie über die Böhsen Onkelz und Oasis in ihre eigenen Zeilen zu kratzen.

Doch in Und alles danach kommt gleich eine andere Lesart. Linn Schmidts Heldin etwa will sich in Piraten umbringen. Wieder der Tod. Doch ihre Beweggründe sind besser als der Kugelhagel auf offenem Felde: Sie hat sich den Fuß gestoßen. Zusammen mit Friederike Trudzinskis Fensterlotto ist Linn Schmidt damit die beste Geschichte des Buches gelungen. Beide verbindet eine unaufgeregte und klare Erzählweise, und ihre Geschichten sind als solche erkennbar: Es sind Momentaufnahmen mit Atmosphäre, die mitten in den Alltag zielen.

Der ist auch das Hauptthema einiger der Kurzgeschichten: Großstadtleben, Freundschaft, Sex, Sehnsucht, Alltag, Arbeit, Sinnkrise bewegen die Figuren. Oder die Suche nach dem ganz Anderen. In archaischen Metaphern und Bildern von Abenteuerfahrten zum Nordpol äußert sie sich – oder in der Beschreibung des Lebens eines Profikillers. Nur eins sind diese Geschichten nicht: problembewusst, kritisch oder besonders überraschend. Sie unterhalten. Das aber gut. Die Länge passt genau in eine U-Bahn Fahrt, vier oder fünf Stationen, einmal umsteigen. Und in den besten Momenten des Buches verpasst man die Station, will die Augen nicht von den Zeilen nehmen und stößt sich zu Hause den Zeh. Und alles danach ist eine andere Geschichte. Markus Flohr

Jan Billhardt: Und alles danach – 24 Kurzgeschichten Hamburg 2001, 190 S., 17 Mark

Lesung mit Friederike Trudzinski, Christoph Roethel, Gerda Gmelin, Benjamin Maack, Melanie Reiling, Wolfgang E.E., Stefan Boskamp: morgen, 20 Uhr, Mojo