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: Die Spaßgesellschaft

Wir werden sie nie verstehen

Vor drei Wochen konnten wir in dieser Kolumne feststellen, dass die Spaßgesellschaft trotz gegenteiliger Bekundungen noch lebt, nun durften wir dank einer Live-Schaltung aus der Harald-Schmidt-Show erfahren, dass auch in Afghanistan von ihrem Ende noch keine Rede sein kann: „Der Krieg stört zwar etwas. Aber die Bomben treffen nur die Bösen.“ Das ist gut zu wissen. Wenn die Geschosse auf Zivilisten zusteuern, machen sie Halt, drehen um und suchen sich ein neues Ziel. Allerdings: Woran erkennt man in Afghanistan Zivilisten? Sind die Milizen überhaupt uniformiert? Sehr aufschlussreich in diesem Zusammenhang auch die Erklärung eines US-Kommandeurs: Oftmals kehrten die Kampfjets unverrichteter Dinge zurück, weil sie bei ihren Flügen einfach nichts entdecken konnten, was noch kaputtzumachen wäre. Sehr schön formuliert.

Derzeit sieht man viele interessante Dinge im Fernsehen, derart viele, dass man aus Angst, etwas zu verpassen, gar nicht mehr vor die Tür gehen mag: den bilderlosen Krieg, die grummeligen Kommentare von Peter Scholl-Latour, die tägliche Wiederholung der Afghanistan-Dokumentation „Im Land der Finsternis“, „Malcolm mittendrin“ und „Sex and the City“. Während draußen das Nachtleben auf üblicherweise hohem Niveau stagniert, bietet „Sex and the City“ ein paar griffige Analysen: „Der Dreier ist der Blowjob der 90er.“ Und was war der Blowjob der 80er? „Analsex!“ Doch was der Blowjob der Gegenwart ist, wird man nie erfahren. Schon deshalb, weil der Vergleich seit dem 11. September nicht mehr zulässig ist. Nichts ist mehr, wie es war, nur die Spaßgesellschaft existiert immer noch. Man muss sich den Spaß nur suchen.

In seinem neuen Roman „1979“ sperrt Christian Kracht seinen Ich-Erzähler in ein chinesisches Strafgefangenenlager, und seltsamerweise hat er sogar dort Spaß. Er erduldet seine Unterernährung mit Gleichmut und lernt aus Maden gefertigte Suppenklöße zu schätzen: „Ich hatte mich von allem Unwichtigen frei gemacht.“ In „Der Patriot“ von Roland Emmerich hätte Mel Gibsons Filmsohn gerne Spaß im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. „Wann darf ich los, Vater?“, fragt er und Gibson antwortet: „Wenn du 17 bist!“ – „Aber das ist erst in zwei Jahren!“ Auch wenn wir nicht wissen, was der Blowjob von heute ist, lernen wir: Der Krieg war der Autoführerschein des 18. Jahrhunderts.

Auch wenn das jetzt zynisch klingt, aber „Der Patriot“ ist ein erhellendes Filmdokument, das, wie man jetzt merkt, seiner Zeit voraus ist. Tatsächlich scheinen manche Reden, die derzeit im Kampf gegen den Terrorismus gehalten werden, von dem Film inspiriert. Was insofern komisch ist, weil „Der Patriot“ an den Kinokassen ein Flop war, so dass es unwahrscheinlich scheint, das Bush, Blair und Schröder ihn gesehen haben. Das sind die Geheimnisse der Spaßgesellschaft, wir werden sie nie verstehen.

HARALD PETERS