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: Die große, trashige Welt der Bücher und Verlage

Todsicherer Tee aus Tibet

Die einen lesen, die anderen verändern die Welt – wer auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Messegelände ist, kann ihn kaum übersehen, diesen Spruch auf der Werbetafel einer Baufirma, die hier an der Verbreiterung der Fahrbahn arbeitet.

Ein flotter Spruch, ja, man muss sagen, ein gewagter Spruch in diesen ach so bekannt schwierigen Tagen, und entweder ist der Firma die fehlgeleitete Sinnfälligkeit gar nicht bewusst, oder sie versucht damit offensiv, ein bisschen Normalität zu signalisieren. Kaum verschwunden im Treiben der Messe, weiß man ihn dann schnell abzuwandeln: Die einen gehen zur Buchmesse, die anderen befinden sich draußen in einer anderen Welt.

Drinnen aber braucht es Zeit, um die richtige Orientierung zu finden, und schnell stellt sich die Frage: Soll man gezielt Stände, Veranstaltungen und Kollegen und Bekannte aufsuchen? Oder sich doch einfach treiben lassen? Letzteres erscheint als die praktikablere und auch interessantere Lösung, und so findet man sich unversehens im griechischen Pavillon bei der Vorstellung des griechischen Autors Vassilis Vassilikos wieder. Der ist insbesondere bekannt als Autor des von Costa-Gravas verfilmten Politromans „Z“; der hat aber, wie der Moderator verdächtigerweise eine Idee zu intensiv betont, fast 80 andere Bücher geschrieben, und der versucht an diesem Nachmittag wortreich, das Klischee zu widerlegen, alle griechischen Autoren vereine die Sehnsucht nach der Fremde und sie seien daher ständig auf Reisen.

Im Gegenteil, sagt Vassilikos, es sei erstaunlich, dass die Buchmesse es geschafft habe, so viele griechische Autoren nach Frankfurt zu locken. Am erstaunlichsten aber ist, dass, wie soll es anders sein, Vassilikos seit drei Jahren schon an einem Buch über Ussama Bin Laden arbeitet, allerdings ausschließlich vor dem Hintergrund von dessen Verstrickungen auf dem Balkan.

Wieder unterwegs, fällt einmal mehr auf, wie schön sich das Nebeneinander auf der Messe doch gestaltet: Der Verlag des Islam hat seinen Stand gegenüber dem Verlag „Zentrum des Lichts“, der KOHA-Verlag präsentiert Bärbel Mohrs „Nutze die täglichen Wunder – was das Unbewusste alles mehr weiß und kann als der Verstand“, und beim Forum Buddhistischer Verlage gibt es Tee aus Tibet, den eine Mitarbeiterin des Verlags mit den Worten reicht: „Keine Angst, da ist kein Milzbrand drin.“ Warum sie das sagt, verrät sie nicht, auf diese Frage gibt es nur ein hintergründiges Lächeln.

Die Welt der Bücher und Verlage jedenfalls ist eine große und auch sehr trashige, und beim Messerundgang wird einem bewusst, wie klein der typische Literaturbetrieb doch ist, wie eng die Ausrichtung des Feuilletons. Trotzdem ist man natürlich mächtig froh, am Nachmittag in Siegfried Unselds Villa eingeladen zu sein und einer Lesung aus Peter Handkes neuem, im Januar 2002 erscheinenden Roman beiwohnen zu können. Naturgemäß bildet man sich im Unseldschen Bibliothekszimmer ein, den Geist von Uwe Johnson oder Wolfgang Koeppen spüren zu können, auch der mächtige Hermann Burger kommt einem in den Sinn, oder Thomas Bernhard, einfach so und sehr spontan.

Schade nur, dass Handke selbst nicht da ist, um vorzulesen. Handke habe, erzählt Unseld vor der Lesung, die seine Frau Ulla Berkewicz übernimmt, das Buch beim Verlag abgeliefert und erklärt, für eventuelle Fernsehauftritte und ähnlich gelagerte mediale Werbeaktivitäten nicht zur Verfügung zu stehen: „Macht damit, was ihr wollt.“ Einer wie Handke kann sich das eben leisten, auch wenn der Ausschnitt, den Berkewicz liest, die Hörer nicht gerade von den Stühlen reißt. Es wäre ja auch viel zu schön, wenn ein Buch ausgerechnet von Peter Handke einmal die Welt entscheidend verändern könnte. GERRIT BARTELS