INGO DUBINSKI IST WIEDER AUF SENDUNG – UND DAS GEHÖRT SICH AUCH SO
: Kein verheultes Selbstmitleid

Als durch eine Zeitungsrecherche bekannt wurde, dass der TV-Moderator Ingo Dubinski für die Stasi gespitzelt hatte, schien alles klar: Nie mehr würde der 37-Jährige auf dem Bildschirm präsent sein. Typisch die Reaktion des Enthüllten: Er könne auf das Fernsehen verzichten. Tatsächlich hat er dies nur gesagt, weil er davon ausgehen musste, dass seine Karriere zu Ende ist.

Doch der Mann mit dem speziellen Sinn für die Bedürfnisse älterer TV-Konsumenten, der Mann, der die ARD-„Wunschbox“ und derlei Harmlosigkeiten mehr als kongenial repräsentierte, ging zugleich in die Offensive. Stellte seine Stasiakte der Öffentlichkeit zur Verfügung. Setzte sich mit seinem Spitzelopfer ins Benehmen und bat um Verzeihung, nicht jedoch um Entlastung von der Schuld. Denn darauf bestand er: Eine Schuld für den Verrat könne ihm nicht genommen werden.

Die ARD entschied nun auf höchster Ebene, ihn wieder vor die Kamera zu lassen. Nicht nur erwies sich Dubinskis Vergehen als minder schwer im Angesicht des Spitzelmolochs. Am Günstigsten wirkte sich aus, dass der Moderator sich ohne Zögern und ohne „Ich bin das eigentliche Opfer“-Tonlage zu seinen Fehlern bekannte.

Also zurück zur Tagesordnung? Selbst wenn man wollte, ginge das nicht: Dubinskis Affäre ist die erste, die nicht nach klassischem Strickmuster erledigt wurde. Also nicht: Ein Stasi-IM ist des Teufels, wie es im Westen heißt; der Westen nimmt keine Differenzierung wahr, wie es der Osten sieht.

Der Fall Dubinski beweist, dass – im Sinne einer Wahrheitskommission – geprüft werden kann, ob jemand in kühler Niedertracht oder als ratloser Sünder handelte. Anders als Marianne Birthlers Diktum, man habe immer Nein sagen können, wäre es an der Zeit, die Solidarität unter vielen IMs zu zerstören: Indem man ihnen signalisiert, dass nicht jeder IM ein Spitzel ohne Rücksicht auf Verluste war. Die DDR war komplizierter, als sie aus den Stasiaktenbergen rekonstruiert werden kann. Die von dem Spitzelkraken benutzten Menschen sollten von dieser Differenzierung profitieren können – im Guten wie im Schlechten. JAN FEDDERSEN