Crashkurs Bürgerschaft

Damit die Schill-Abgeordneten nicht mehr so viele Anfängerfehler begehen: Ein Leitfaden  ■ Von Peter Ahrens

Bei der ersten Sitzung am Mittwoch ging doch noch einiges daneben: Ronald Schill setzte sich einfach auf den Platz, auf dem Ole von Beust jahrelang gesessen hat, so dass sich der CDU-Mann schlecht gelaunt nach rechts trollen musste. Mehrere Schill-Leute, die sich als Abgeordnete ausgaben, irrlichterten durchs Rathaus auf der Suche nach den Schnittchen, der Herrentoilette und der Zahlstelle, wo sie sich die ersten Diäten abholen wollten. Andere aus der Schill-Fraktion landeten auf dem Weg in den Plenarsaal irrtümlich im Ratsweinkeller, wo sie Stunden später von besorgtem Rathauspersonal in bierseliger Stimmung aufgefunden wurden. Damit sich solche peinlichen Anfängerfehler in den nächs-ten Sitzungen nicht wiederholen, gibt die taz hamburg den Schill-Leuten einen Bürgerschaftsleitfaden für die parlamentarische Arbeit an die Hand: „Bürgerschaft – leicht gemacht“ ist bei der Redaktion in der Harkortstraße 81 für 19,33 Mark erhältlich.

Regel Nummer eins: Die Bürgerschaft beginnt um 15 Uhr. Es empfiehlt sich relativ pünktliches Erscheinen, weil man dann wenigs-tens noch die so genannte Aktuelle Stunde mitbekommt, in der man ein bisschen auf den Putz hauen darf. Also nicht zu lange am Kuchenbuffet verweilen. Wer später eintrifft, erlebt dagegen nur die parlamentarische Mühsal von Anträgen und Senatsmitteilungen. Mit zu viel Denkarbeit und Aktenleserei verbunden. Davon ist abzuraten.

Regel Nummer zwei: Hand heben an der richtigen Stelle. Das hat nämlich eine gewisse Bedeutung für die parlamentarische Mehrheit. Am besten immer dann die rechte Hand nach oben, wenn der in der ersten Reihe das auch tut. Zur Not einen schnellen Blick auf von Beust werfen. Der hat immerhin eine gewisse Erfahrung in diesem Hause. Wenn der dann per Kopfnicken ein Zeichen gibt, ganz schnell Hand hoch. Aber nicht beide gleichzeitig. Das sieht sonst schnell ein bisschen nach Kapitulation aus.

Regel Nummer drei: Kostenloses Mineralwasser gibt es im so genannten Korrespondentenzimmer. Dort darf auch geraucht werden. Und dort sitzen die Freunde von der Springer-Presse. Häufig vorbeischauen!

Regel Nummer vier: Debatten dauern leider oft bis in den Abend. Doch keine Sorge, dass man dadurch Champions League-Spiele auf RTL verpassen müsste. Einfach etwas von einen „wichtigen Podiumstermin im Wahlbezirk“ murmeln und gegen 19.30 Uhr die Kurve kratzen. Machen die anderen auch so.

Regel Nummer fünf: Nicht jede gewonnene Abstimmung muss mit Victory-Zeichen, La Ola und einem „Auf Wiedersehen“ und „Ihr könnt nach Hause fahren“ in Richtung SPD/GAL gefeiert werden.

Regel Nummer sechs: Nicht, wir wiederholen, nicht mit dem eigenen Auto direkt bis vors Rathaus fahren. Der Rathausmarkt ist noch nicht als Tempo 60-Zone ausgewiesen. Der neue Senat arbeitet allerdings daran.

Regel Nummer sieben: Die Kleiderordnung. Ballonseide ist keine Pflicht.

Regel Nummer acht: SPD und GAL bilden die Opposition. Dies gibt jedoch nicht das Recht, sie vom Rednerpult aus durchgehend als „asoziales Pack“ zu bezeichnen. Vorsicht: Ordnungsrufgefahr!

Regel Nummer neun: Diäten werden überwiesen.

Regel Nummer zehn: Es wird im hohen Haus als unschicklich empfunden, während der Rede des Bürgermeisters mitgebrachte Butterstullen aus fettigem Einpackpapier herauszuschälen. Auch der kleine Feigling gehört nicht in das Abgeordnetenpult.

Regel Nummer elf: Im parlamentarischen Alltag ist vor schwierigen Worten zu warnen. Im Unterschied zu solchen gut merkbaren Worten wie Schill, Bumm, Tor, Bier sind sie teilweise gar mehrsilbig: Länderfinanzausgleich, UKE-Infrastrukturgesetz, Zwangsarbeiterentschädigung. Am besten gar nicht erst damit befassen.

Regel Nummer zwölf: Bei den uniformierten älteren Herren handelt es sich um die Ratsdiener. Dies ist nicht der kommunale Ordnungsdienst. Die Räume, in denen der Senat residiert, werden übrigens Senatsgehege genannt. Sie sind trotzdem nicht mit einem geschlossenen Heim zu verwechseln.

Regel Nummer dreizehn: Aggressives Regieren wird mit Platzverweisen geahndet.