Liebe als Versuchsanordnung

■ Mit einer Lesung aus Ulrich Woelk Roman „Liebespaare“ beginnt morgen die „Literatour Nord“

Da gab es die „Amerikanische Reise“, eine angenehm zurückgelehnte, wunderschöne literarische Auseinandersetzung mit dem Genreklassiker des Roadmovies. Auch dieses Buch von Ulrich Woelk war eine Liebesgeschichte, eine, die so gekonnt wie nebenbei auf die Kopfbilder der breiten amerikanischen Straßen und deren mythologische Dimension zurückgriff. Und wie in seinem neuen Roman „Liebespaare“ destillierte der 1960 geborene Woelk aus scheinbar Bekanntem immer noch Interessantes heraus.

1996 las Woelk aus der Amerikanischen Reise bei der „Literatour Nord“, der jährlich veranstalteten Mixtur aus Lesereise und Literaturpreis-Ermittlung. Woelk las wie seine Bücher sich lesen: unaufgeregt, entspannt, überzeugend. In diesem Frühjahr nun erschien der Wälzer „Liebespaare“. Vierhundertfünfzig Seiten über zwei Enddreißiger-Ehepaare im Berlin der späten 90er, über Langeweile und Lust des ehelichen Sexuallebens, über PR-Manager und Daily Soap-Mitarbeiter, kurz: Ein Plot, der so klingt, als sollten hier auf Teufel komm raus die Goetheschen „Wahlverwandtschaften“ vor dem Hintergrund der ach so hippen neuen Hauptstadt upgedated werden. Doch Halt. Schließlich ist Ulrich Woelk, der morgen – als erster von Sechsen – „Literatour Nord“ eröffnet, weder Pop-Schreiber noch Biedermann. Und es mag nicht gänzlich vom Zufall herrühren, dass ihn mit Goethen ein gewisses Faible für's Naturwissenschaftliche verbindet. Vor diesem, seinem Autorenleben war Woelk Physiker. Wie eine Versuchsanordnung wirkt die in „Liebespaare“ beschriebene Dauersuche der Figuren. Bäumchen wechsel dich und „Wo die Liebe hinfällt“ – das klingt so, als wolle man's nicht gerne lesen. Das Thema ist sowas von durch. Jedoch: Woelk gelingt es, Gegenwartsgeschichten zu schreiben ohne dass gleich ein „Generationenroman“ dabei rauskommt. Bedanken muss man sich allein schon für folgende Sätze: „Die Endgültigkeit der Ehe bedeutet Parken mitten auf der evolutionären Autobahn.“

Tim Schomacker

Ulrich Woelk liest am Sonntag, 14. Oktober um 11 Uhr im Oldenburger PFL, Peterstraße 3, und um 20 Uhr im Ambiente, Osterdeich 69a