„Ich schau fernsehen mit den Ohren“

■ Blinde sind das Thema des Hörbilds „Ich hab eine Landkarte im Kopf“, das RB2 heute sendet. In ihm kommen Blinde zu Wort und Sehende hoffentlich zu einem Bild

Wie erfährt ein blinder Staatsanwalt, was in den Akten steht? Warum ist ein Blindenstock weiß und achselhoch? Welches Schampoo erkennt man problemlos an der Form seiner Verpackung?

„Ich hab eine Landkarte im Kopf“ heißt das Hörbild von Inge Buck, das heute abend um 19.05 Uhr auf Radio Bremen 2 zu hören ist. Es gibt einen Einblick in die Alltagsrealität blinder Menschen. Zu Wort kommen Blinde, deren Umgang mit ihrer Blindheit äußerst verschieden ist, Menschen, deren Ausgangssituationen sich deutlich voneinander unterscheiden. Der eine hat als Geburtsblinder schonfrüh alle Hilfsmittel nutzen gelernt, die andere – eine Späterblindete – müht sich im Alter von 85 Jahren mit dem Erlernen der Braille-Schrift.

Einer kann sich noch an die Farben seiner Mensch-Ärgere-Dich-nicht-Figuren erinnern, eine andere betont die Normalität, die das Blindsein schon immer für sie hat.

Sie alle erzählen von ihrer Art mit dem Alltag umzugehen, von den Schwierigkeiten und den besonderen Fähigkeiten, die sie entwickelt haben. Muß man zum Beispiel wirklich die Thermoskanne aufschrauben um zu wissen, wieviele Tassen Kaffee noch drin sind? Nein, schmunzelt die Stimme des Blinden. Er selbst sei in der Lage die Kaffeetassenmenge zu hören.

Wie eine Fledermaus könne sie sich orientieren, sagt eine Frau und beschreibt, wie sie mit Hilfe der Schallreflektion ihrer Schritte, Wände und Laternenpfähle wahrnimmt. Verschluckt ein Teppich den Klang ihrer Schritte summt sie oder schnippt mit den Fingern, um einen Widerhall zu erzeugen. Immer wieder wird betont, wie wichtig es für Blinde ist, Gegenstände anfassen zu können, sie mit den Händen zu betrachten. Vom Filmklischee des Blinden, der anderen Menschen das Gesicht abtastet, hält niemand etwas. Menschen, so wird gesagt, läßt man sich lieber beschreiben.

Das Hörbild ist in einzelne Themenblöcke unterteilt. Es geht um Selbstständigkeit und den Umgang mit Hilfsangeboten, um Partnerschaft und die besonderen Tücken einer Liebesbeziehung zu einem Sehenden, um Freizeitgestaltung und blindenspezifische Sportarten, um den Berufsalltag und immer wieder um die Sinneswahrnehmungen: Hören, Riechen, Spüren .

Getragene Musik setzt die einzelnen Themen voneinander ab. Nichtzuletzt deshalb lädt das Hörbild ein, sich ihm in Ruhe zu widmen, die Augen zu schließen und für eine knappe Stunde die Umgebung mit den verbliebenen Sinnen wahrzunehmen. Denn, so wünscht sich eine junge Frau, die Sehenden sollten mal aufhören zu glauben man könne alles nur mit den Augen machen. Die meisten Sachen, die Sehende machen, macht sie als Blinde auch, nur eben anders.

Julia Klein