Proteste nach Gebet

In Pakistan bleiben die Kundgebungen gegen die USA wegen massiver Polizeipräsenz meist ruhig

von BERNARD IMHASLY

In zahlreichen Städten Pakistans ist es gestern zu Kundgebungen gekommen, nachdem Pro-Taliban-Organisationen für den ersten religiösen Feiertag nach Beginn der Luftangriffe zu Protesten aufgerufen hatten. Der gestrige 12. Oktober war zugleich der zweite Jahrestag der Machtübernahme durch General Pervez Muscharraf. Besonders kritisch sind die Städte Peschawar und Quetta mit ihrem großen afghanischen Bevölkerungsanteil sowie die Wirtschaftsmetropole Karatschi.

In Karatschi kam es bereits am Morgen zu ersten Ausschreitungen mit Angriffen auf einen amerikanischen Schnellimbiss sowie auf Regierungsgebäude und -fahrzeuge. Im Gegensatz dazu waren die Proteste in Quetta und Peschawar weitgehend ruhig. In Quetta füllte sich das Sportstadion nur mit einigen tausend Teilnehmern. Auch in Indien kam es zu Protesten, die aber – mit Ausnahme Kaschmirs – nicht Islamisten, sondern Linksparteien organisierten.

Der unerwartet ruhige Verlauf der Freitagsdemonstrationen geht zweifellos auf die umfassenden Sicherheitsmaßnahmen zurück. In Karatschi waren neben 34.000 Polizisten paramilitärische Einheiten im Einsatz, laut Presseberichten waren auch die Militärgarnisonen verstärkt worden. Muscharraf hatte am Donnerstag die religiösen Lehrer davor gewarnt, in ihren Freitagspredigten die Gläubigen zu „provozieren“. Das Anbringen von Postern wurde verboten.

Eine besondere Warnung richtete Muscharraf an die Adresse der Afghanen: Falls sie an Demonstrationen teilnähmen, würden sie verhaftet und über die Grenze abgeschoben. Muscharrafs bestimmtes Auftreten ist auch ein Signal an seine Polizei- und Militärkommandanten, unter denen viele mit den Taliban sympathisieren. Der Polizeichef von Quetta wurde entlassen, nachdem er es versäumt hatte, einen Befehl zur Verhaftung von fünfzehn Klerikern auszuführen.

In Lahore kündigte eine Gruppierung von 15 islamischen Parteien den nächsten Protesttag an. Er soll nächste Woche stattfinden, wenn US-Staatssekretär Colin Powell Pakistan besucht. Die Regierung hat Zeitungsberichte bestätigt, wonach zwei Luftwaffenbasen in der Sindh-Provinz den USA zur Verfügung gestellt worden seien. In Jacobabad sollen 15 Militärmaschinen, darunter schwere Herkules-Transporter, gelandet sein. Ein Regierungssprecher betonte aber, dass die Soldaten nicht für Angriffe, sondern für Rettungsaktionen eingesetzt würden.

Die Taliban-Vertreter in Pakistan haben die USA beschuldigt, im Dorf Kurram bei Dschalalabad in Ost-Afghanistan bei einem Luftangriff am Mittwoch den Tod von 200 Dorfbewohnern verursacht zu haben. Erste Berichte hatten von 100 Opfern gesprochen, die die Afghan Islamic Press in Peschawar später auf 160 korrigiert hatte. Die Bombardierungen in der Nacht zu gestern, eine einzelne Angriffswelle am frühen Morgen gegen die Städte Kandahar, Kabul und Dschalalabad, sollen laut Angaben des Verteidigungsministeriums in Kabul dort sechs Zivilopfer gefordert haben. Die New York Times berichtet, dass B-52-Flugzeuge im Verlauf der ersten Angriffswoche CBU-89-Gator-Bomben abgeworfen hätten, die auch Personenminen verstreuen. Die US-Organisation Human Rights Watch hat die Regierung in Washington aufgefordert, auf den weiteren Einsatz von Landminen zu verzichten. Afghanistan ist das am stärksten minenverseuchte Land der Welt. Elf Jahre nach Beginn der Minenräumungsarbeiten sind immer noch 750 Mill. Quadratmeter vermint.