Der Friedens-General

Kofi Annan freut sich über die persönliche Ehrung, hält aber die gleichzeitige Auszeichnung der UNO für bedeutender

aus New York ANDREAS ZUMACH

Das Nobelkomitee hatte die Privattelefonnummer von UNO-Generalsekretär Kofi Annan verlegt. Deshalb blieb der Anruf gestern aus, mit dem die Gewinner des Friedensnobelpreises üblicherweise kurz vor der offiziellen Verkündung um 11 Uhr Osloer Zeit persönlich über ihre Auszeichnung unterrichtet werden.

Annans Pressesprecher Fred Eckardt hatte die gute Nachricht kurz nach 5 Uhr New Yorker Zeit auch nur durch CNN erfahren. Als er seinen Chef weckte, reagierte der noch vorsichtig: „Das ist toll, aber lass uns abwarten,bis es offiziell ist.“ In seiner ersten öffentlichen Stellungnahme eine knappe Stunde später konnte Annan die Freude über die persönliche Ehrung zwar nicht verbergen, machte aber deutlich, dass er die gleichzeitige Auszeichnung der Organisation der Vereinten Nationen – der ersten seit UNO-Gründung im Jahre 1945 – für viel bedeutender hält.

Der Preis wird zu gleichen Teilen (je etwa 2 Millionen Mark) vergeben. Ähnlich wie Annan setzte aber auch das Nobelkomitee die Gewichtung gen UNO, die sich „seit über hundert Jahren um die Stärkung organisierter Zusammenarbeit zwischen Staaten“ bemühe. „Das Ende des Kalten Krieges“ habe es „der UNO ermöglicht, die Rolle, die ihr ursprünglich zugedacht war, vollgültiger zu erfüllen“, erklärte das fünfköpfige, vom norwegischen Parlament bestellte Nobelkomitee. Heute sei die UNO „in vorderster Front bei den Bemühungen um Frieden und Sicherheit auf der Welt sowie bei der internationalen Mobilisierung mit dem Ziel, den globalen wirtschaftlichen, sozialen und umweltmäßigen Herausforderungen zu begegnen“.

Das Nobelkomitee möchte mit der Auszeichnung der UNO, „die in ihrer Geschichte viele Erfolge erzielt und viele Rückschläge erlitten“ habe, „öffentlich kundtun, dass der einzig gangbare Weg zu globalem Frieden und Zusammenarbeit der über die Vereinten Nationen ist“. Das ist Ermutigung für viele UNO-Mitarbeiter, die die letzten zehn Jahre eher als eine Zeit der Rückschläge erlebt haben sowie der Dominanz, Demütigung und finanziellen Erpressung durch das mächtigste Mitgliedsland USA.

Kofi Annan (63) hat diese Dekade der UNO-Geschichte wesentlich mitgeprägt: seit 1997 als Generalsekretär. Zuvor ab 1993 war er Untergeneralsekretär für Peace-Keeping-Missionen und Leiter der zuständigen Abteilung in der New Yorker Zentrale.

Annans UNO-Karriere begann vor knapp 30 Jahren. Nach einem Volkswirtschaft- und Managementstudium in den USA und in Genf bekam er 1962 einen Posten in der Finanzverwaltung der Weltgesundheitsorganisation. Die Wahl Annans zum Nachfolger des ägyptischen Generalsekretärs Butros Butros Ghali im Herbst 1996 war zunächst heftig umstritten. Die Mehrheit der Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates hatte zunächst auf eine zweite Amtszeit von Butros Ghali gesetzt, der sich aber mit kritischen Äußerungen zur Nahost-Politik der USA Clintons Außenministerin Madeleine Albright zur Feindin gemacht hatte. Mit der Veto-Drohung gegen Butros Ghali setzte Washington schließlich Kofi Annan als Generalsekretär durch.

Von dem Image, er sei „Washingtons Mann“ in der UNO, befreite sich Annan schon in seinem ersten sechs Amtsmonaten durch seine nachdrückliche Forderung an die Clinton-Administration, rückständige Pflichtbeiträge in Höhe von damals rund 1,5 Milliarden Dollar zu begleichen. Sein damaliges öffentliches Versprechen, das Problem der US-Schulden bis zum Ende seines ersten Amtsjahres 1997 zu lösen, konnte Annan bis heute nicht erfüllen. Derzeit schuldet Washington der UNO – trotz einiger Zahlungen in den letzten Monaten – immer noch über 2 Milliarden Dollar. Unter dem finanziellen Druck der USA konnte Annan eine Reihe struktureller Refomen im UNO-System durchsetzen. Dafür lobt ihn das Nobelkomitee mit den Worten, er habe „für eine effektivere Nutzung der bescheidenen Mittel der UNO gesorgt“.

Einer der herausragenden Momente der bisherigen Amtszeit Annans kam im Frühjahr 1998. Gegen den Rat der Clinton-Administration verhandelte der UNO-Generalsekretär in Bagdad mit Präsident Saddam Hussein und bewegte ihn zu Konzessionen, mit denen ein damals weltweit befürchteter dritter Golfkrieg abgewendet werden konnte. Damit nahm der Generalsekretär „die traditionelle Verantwortung der UNO für Frieden und Sicherheit wahr“, findet das Nobelkomitee.

Es beendet seine Würdigung Annans mit dem Hinweis auf ein Verdienst des Generalsekretärs – der unter den 189 Mitgliedsstaaten der UNO keinesfalls unumstritten ist –, das das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Preisträgern beschreibt: „In einer Organisation, die wenig mehr sein kann, als ihre Mitglieder zulassen, hat Kofi Annan klar gemacht, dass Souveränität kein Schutzschild sein kann, hinter dem Mitgliedstaaten ihre Rechtsbrüche verbergen.“