Geschenkewucher

■ Kurt Jara hofft nach dem 4:0-Erfolg gegen Hertha BSC, dass er mehr als einmal im Jahr Geburtstag hat

So richtig erklären konnte sich niemand, was kurz zuvor auf dem Rasen passiert war. „Ich weiß auch nicht, warum eine Mannschaft erst einen Trainerwechsel braucht, um den Kopf freizubekommen“, versuchte Holger Hieronymus den Sinn unsinniger, aber scheinbar hilfreicher Gesetze des Fußballs zu erklären.

Tatsache ist, dass der HSV mit neuem Trainer und ohne „Angst“ (Nico Jan Hoogma) wie neugeboren auf dem Platz agierte: In den ersten 30 Minuten ein wenig verunsichert, dann auf die eigenen Stärken bedacht und schließlich mit einem 4:0 gegen eine desolate Hertha - „Einige Spieler im Abwehrbereich sollten sich sehr gut überlegen, wie sie heute aufgetreten sind“ (Jürgen Röber) - ein wenig erwachsen geworden. „Jetzt träumen sie bestimmt bald wieder vom Titel“, unkten einige und nahmen die neuen Meisterschaftsträume auf den Fantribünen wahr.

Dabei hat der vermeintliche Geburtshelfer Kurt Jara kaum etwas an dem verändert, was ihm der Ex-Trainer Frank Pagelsdorf bereitet hat. Das taktische 3-4-3-System spielte der HSV bereits zu erfolgreichen Champions-League-Zeiten. Die Verlagerung des Offensivspiels über die Außenbahnen ist von Pagelsdorf über Jahre gepredigt worden und die Neueinkäufe des Verflossenen können nach den guten Eindrücken dieses Spiels so falsch auch nicht gewesen sein. Marcel Maltritz spielte im zentralen Mittelfeld eine solide Partie und bereitete das erste Saisontor von Sergej Barbarez zum 1:0 vor. Noch auffälliger setzte sich Marcel Ketelaer in Szene, der aus zwei Torschüssen zwei Tore machte und über die rechte Seite im Gespann mit Bernd Hollerbach die spielentscheidende Achse darstellte. Das Vertrauen Jaras in die Jungspunde Maltritz und Ketelaer wird so als Stammtischlösung für das frischforsche Auftreten des HSV in seiner postpagelsdorfschen Zeit herhalten müssen. „Endlich haben wir mal wieder Fußball gespielt und nicht jeden Ball nach vorne gebolzt“, erklärt Nico Jan Hoogma verzückt vom flotten Offensivdrang seines Teams.

Der gestrige Geburtstagsjubiliar Jara hingegen versucht die Euphorie zu dämpfen. Man stehe „hoffentlich erst am Anfang, denn es kann ja nicht schon wieder das Ende sein.“ Über das Geburtstagsgeschenk seiner Mannschaft freute der Österreicher sich sogar so, dass er jetzt jede Woche Geburtstag haben möchte, „damit es nicht bei einem Geschenk im Jahr bleibt.“ Das wäre tatsächlich zu wenig. Oke Göttlich