Im Interview: Fritz Bringmann
: Blutgetränkter Boden

■ KZ-Überlebender ist empört über Absicht, Knast nicht zu verlegen

taz: Herr Bringmann, Sie haben fünf Jahre im Konzentrationslager Neuengamme verbracht und über 50 Jahre dafür gekämpft, dass das Gefängnis von dort fortverlegt wird. Wie fühlen Sie sich heute?

Fritz Bringmann: Wie kann man sich nach so einer langen Zeit der Bemühung um eine würdige Gedenkstätte jetzt fühlen? Ich vermag mir kaum vorzustellen, wie die noch Lebenden ehemaligen KZ-Insassen im Ausland, die weltweit eine Aussöhnung mit eingeleitet haben, das aufnehmen werden.

Im Grundstein des Ehrenmals Neuengamme ist eine Erklärung der internationalen Lagergemeinschaft Neuengamme eingemauert. Da heißt es auch, dass die nachkommenden Generationen den Kampf der Häftlinge um eine gerechte und friedliche Welt lebendig halten sollen. Das ist nun außerordentlich belastet.

Was genau geschah dort, wo heute das Gefängnis steht?

Da spielt der Appellplatz eine Rolle, wo öffentliche Auspeitschungen und Erhängungen stattgefunden haben. Da spielt der Bunker als Mordstätte des Reichssicherheitshauptamtes eine Rolle, wo Frauen und Männer ohne Gerichtsurteil ermordet wurden. Das Krankenrevier wurde zur Tötung durch Abspritzen und zu medizinischen Experimenten benutzt. Die Überlebenden betrachten das Gelände als blutgetränkten Boden, der einem Friedhof gleichkommt.

Die Koalition sagt, dass der Sündenfall schon mit dem Bau des Gefängnisses begangen wurde.

Jeder Mensch, der einen Fehler begangen hat, ist aufgerufen, ihn zu korrigieren. Auch Regierungen. Sonst stellt sich mir die Frage, was für ein Verständnis von Demokratie und Gerechtigkeit sie haben.

Werden Sie trotzdem auch in Zukunft weiter um die Gedenkstätte kämpfen?

Mein Leben steht dafür. Ich war erfreut darüber, dass meine ausländischen Kameraden bereit waren, uns als Deutschen wieder einen Platz in der Völkergemeinschaft einzuräumen. Im ,Museum deutscher Widerstand' in Berlin hat der Historiker Peter Steinbach erklärt, der deutsche Widerstand – auch in den Lagern – sei ein Beitrag des internationalen Kampfes für Menschlichkeit gewesen. Das sollte sich der neue Senat mal durch den Kopf gehen lassen.

Interview: Elke Spanner