Raster ohner Richter

■ Koalition will Rasterfahndung ohne Richterbeschluss einführen/Grüne plädieren für dreijährige Probezeit – und gegen zusätzliche Mittel für Verfassungsschutz

Nach den Terroranschlägen in den USA wird in Bremen der Streit um die innere Sicherheit immer schärfer. Während SPD und CDU kommende Woche in der Bürgerschaft beschließen wollen, die Rasterfahndung ohne Gerichtsbeschluss durchführen zu wollen, plädieren die Grünen für die Einschaltung eines Richters. Er soll der Anforderung des Landeskriminalamts zustimmen, Daten von Institutionen – zum Beispiel Hochschulen – nach gewaltbereiten „Schläfern“ zu durchsuchen. Das wurde gestern nach den Fraktionssitzungen der Parteien bekannt.

„Wenn die Koalition glaubt, dass die Rasterfahndung datenschutzrechtlich so unbedenklich ist – warum hat sie dann Angst, entsprechende Fahndungsanträge dem Richter vorzulegen?“, fragt Matthias Güldner, Fraktions-Vize der Grünen. Hermann Kleen, innenpolitischer Sprecher der SPD, sieht das anders. „Der Innensenator muss zustimmen, Polizeiausschuss und der Datenschutzbeauftragte des Landes kontrollieren die Rasterfahndung. Das reicht“, meinte Kleen.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes war in Bremen am 12. September – am Tag nach den Anschlägen in den USA – die Rasterfahndung verboten worden. „Jetzt“, so Kleen, „werden wir sie wieder einführen, um nicht als einziges Bundesland ohne dazustehen.“ Die meisten anderen Länder rastern bereits seit Wochen nach abgetauchten Extremisten. Vor allem wohlhabende arabischstämmige Studenten aus technischen Fachbereichen sind im Visier der Fahnder. Das Durchstöbern dieser Daten gleiche einer Vorverurteilung der Betroffenen und spalte die Studentenschaft, hatten Professoren und Asta von Universität und Hochschule kritisiert (taz berichtete). Allein an der Universität Bremen studieren 600 Arabischstämmige. „Die, die nichts getan haben, brauchen auch nichts zu befürchten“, meint der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Rolf Herderhorst. „Niemand wird Schindluder mit den Daten treiben.“

Die Grünen plädieren zudem dafür, die Rasterfahndung zunächst bis 2005 zu befristen. „Wenn sie sich so doll bewährt hat, kann man sie ruhig noch mal beschließen“, meinte Güldner, der grundsätzliche Zweifel an der Wirksamkeit des Fahndungsinstruments hat. Auch die rot-grüne Regierung in Schleswig-Holstein habe sich auf Befristung und Einschaltung eines Richters geeinigt, betonte der Grüne.

Auch das Sicherheitspaket gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität, das die Koalition am 27. September beschlossen hat, ist in der Kritik. „Das Paket war ein Schnellschuss“, sagte Dieter Oehlschläger von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die beschlossene Aufstockung um 90 Polizeianwärter in den nächsten drei Jahren sei „viel zu wenig. Wir brauchen 500 neue Polizisten“, betonte der GdP-Mann. „Wir leben halt in einer durchgeknallten Zeit.“

Selbst die Grünen finden, dass „die Polizei chronisch unterfinanziert ist.“ Deshalb will Matthias Güldner heute in der Innendeputation die im Sicherheitspaket enthaltenen Zuschüsse in Höhe von 3,6 Millionen Mark für die Bremer und 700.000 Mark für die Bremerhavener Polizei mittragen. Dafür sollen die Beamten Computer, Sprengstoff-Spürhunde sowie neue Einsatzfahrzeuge anschaffen.

Allerdings sträuben sich die Grünen gegen die Finanzspritze in Höhe von 700.000 Mark für den Bremer Verfassungsschutz. Güldner: „Die Technik, die damit angeschafft werden soll, wird personelle Zusatzkosten nach sich ziehen. Das können wir nicht mittragen.“ Details über die Anschaffungen wurden nicht bekannt.

Zudem, so Güldner, seien die Verfassungsschützer nicht die richtige Adresse, um gegen den internationalen Terrorismus vorzugehen. „Die Extremisten sind meist im Untergrund mit politischen Motiven tätig, also eher der organisierten Kriminalität zuzurechnen“, sagte Güldner. „Dafür ist die Polizei zuständig.“ Kai Schöneberg