Kulturaustausch im Clubraum

In der Akademie der Künste diskutierten KünstlerInnen über das Fremde im Eigenen und das Eigene im Fremden

„Es kann in einem islamischen Land natürlich nur eine wirkliche Minderheit sein, die eine Kunsthochschule besucht. Aber wer sie absolviert hat, der fährt nicht wie hier Taxi. Der ist exzellent ausgebildet und wird immer einen gut bezahlten Job finden, als Lehrer, Designer oder Computergrafiker.“

So beschrieb die Berliner Künstlerin Beate Terfloth, die seit einigen Jahren am National College of Art in Lahore unterrichtet, die Situation ihrer Studenten in Pakistan. Überwiegend sind es sogar Studentinnen, und auch das Lehrpersonal ist zu über 60 Prozent weiblich, so wie der Direktorenposten mit einer Frau besetzt ist.

Der große, für die breite Öffentlichkeit zugängliche Kulturaustausch, das ist die Sache des Hauses der Kulturen der Welt oder der Heinrich-Böll-Stiftung. In der Akademie der Künste, wo Beate Terfloth sprach, ging es am Wochenende um den Austausch der Künstler selbst; im kleinen, intimen Rahmen. Daher war auch der Clubraum im Haus am Hanseatenweg der angesagte Ort. Dort saßen also Künstler aus Japan, China, Pakistan, Südafrika, Indien, Deutschland und Holland beieinander, um sich gegenseitig vorzustellen und über ihre Situation zu sprechen; über ihre Begegnungen mit anderen Kulturen, über Rückkoppelungen zwischen Eigenem und Fremdem; über Kuratoren, Biennalen, Kunstinstitutionen und Kunstmarkt. Freilich, nicht alle, die angekündigt waren, waren auch anwesend.

Die Rückkoppelungen der aktuellen politischen Weltlage, die den Terrorangriffen des 11. Septembers geschuldet ist, hinderte zum Beispiel die pakistanischen Künstler daran zu kommen. Iftikhar Dadi, der in Ithaca, N.Y. lebt, war dort davor gewarnt worden zu fliegen. Das Flugpersonal würde sich weigern, mit einem Pakistani an Bord zu starten. So berichtete es jedenfalls Beate Terfloth, die die pakistanischen Künstler eingeladen hatte. Muss man diese schockierende Erklärung glauben? Umso bedauerlicher schien es, dass die Künstler bei dem von der Akademie, dem Institut für Auslandsbeziehungen, der Kulturstiftung der Länder und der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste organisierten Wochenende nicht präsent waren.

Man war, das sei ehrlicherweise zugegeben, ja sowieso vor allem deshalb gekommen, um Stimmen direkt aus dem islamischen Land zu hören, das am stärksten von der US-amerikanischen Reaktion auf die Terroranschläge betroffen ist. Doch es ist verständlich, dass auch die anderen drei Gäste in Lahore blieben, weil Aisha Khalid, Nadeem Wahid und Anwar Saeed im Moment ganz andere Sorgen plagen als der Künstleraustausch. So blieb es Beate Terfloth vorbehalten, die Situation der Kunst in Pakistan zu erläutern.

Das National College of Art war ursprünglich von den englischen Kolonialherren eingerichtet worden und diente vor allem der Förderung der Miniaturmalerei, die auch heute noch in einem vierjährigen Studiengang gelehrt wird. Anders als in Indien, wo die Miniatur gerne von religiösen Motiven beherrscht wird, zeigte sie in Pakistan – naturgemäß, da der Islam nur ornamentale Kunst kennt – säkulare Motive, Prinzen, fürstliche Gärten und herrschaftliche Jagden, Tiere und Blumen. Aisha Khalid nutzt diese Tradition, um das weibliche Alltagsleben in einem moderat feministischen Sinne zu interpretieren. Man darf ihre Kunst durchaus in Verbindung mit Shirin Nesht sehen, die die vom Islam überdeckte persische Kultur in den kalligraphischen Überzeichnungen ihrer Fotografien zitiert. Denn auch in der pakistanischen Miniaturmalerei kommt die ältere Kultur des zum Islam konvertierten indischen Kulturkreises zum Vorschein. Hier taucht also das Eigene im Eigenen als das Fremde auf.

Nadeem Wahid, der plant, den Reichen seines Landes ihr Traumhaus zu bauen mit all dem Kitsch und den disfunktionalen Ideen, die ihnen dann das Bewohnen ihres Traums zum Alptraum machen wird, gilt in Pakistan nicht als Künstler. Seine Projekte scheinen an Rirkrit Tiravanijas Konzeptkunst anzuknüpfen, wenn er zum Beispiel ein Amphitheater bauen möchte, das den Leuten, die für zwei bis drei Wochen zum Arbeiten vom Land in die Stadt kommen und die in dieser Zeit auf der Straße schlafen, als Nachtasyl dienen soll. BRIGITTE WERNEBURG