Gibt Ustinov den Nero oder M. Poirot?

So viel Aufmerksamkeit hatte die Freie Universität selten: Peter Ustinov eröffnet heute das Semester. FU-Präsident Gaehtgens ist nervös, weil sich Sir Peter der studentischen Kritik an der „FU-Präsidialdiktatur“ anschließen könnte

Er wird nicht mit dem Kanzlerhütchen und seinem Amtsornat auftreten, so wie er es an der englischen University of Durham zu tun pflegt. Dennoch gilt der Auftritt von Sir Peter Ustinov als der Clou der Freien Universität. Er wird heute das Semester an der Dahlemer Universität eröffnen.

Für den zweifachen Oscar-Preisträger ist eine Semestereröffnung nichts Neues. Als repräsentatives Oberhaupt der Uni Durham leitet Ustinov häufig akademischen Zeremonien. Für die FU ist Sir Peters Auftritt freilich außergewöhnlich: Mit dem Weltstar hat FU-Präsident Peter Gaehtgens einen Baustein seiner Uni-Reform auf internationales Niveau gebracht: über eine Immatrikulationsfeier eine Corporate Identity zu schaffen.

Doch der Mediziner auf dem Präsidentenstuhl stellt seinen größten Erfolg heute zugleich in Frage – durch ein böses Foul an einem anderen angesehenen Reformelement: den studentischen Projekttutorien.

Kürzlich kappte Gaehtgens kurzerhand die Projekttutorien. Statt 20 uniweiten Projekten, in denen Studierende selbstbestimmt Lehre und Forschung treiben, soll es künftig nur noch zehn geben. Gaehtgens missachtete mit seinem Ukas ein Votum des Akademischen Senats. Ein echter Fauxpas an einer Hochschule, die sich früher für ihre inneruniversitäre Demokratie rühmte. Nun befürchten viele, dass die Studenten den viel beachteten Ustinov-Auftritt nutzen, um gegen Gaehtgens’ „Präsidialdiktatur“ (Asta) das Wort zu ergreifen.

Was erwartet der FU-Präsident, was heute geschehen wird? Glaubt er, dass der Schauspieler den Kaiser Nero gibt und sich auf die Seite der mächtigen Uni-Leitung stellt? Oder hat er eher Furcht davor, dass Ustinov in die Rolle des Hercule Poirot schlüpft, um der unerklärten Diktatur an der FU nachzuspüren?

In und außerhalb der Uni herrscht allgemeines Unverständnis über den eigenwilligen Präsidenten. Gaethgens nämlich hat nicht nur den Akademischen Senat vor den Kopf gestoßen, er hat Wissenschaftssenatorin Adrienne Goehler gegen sich, die Studenten sowieso – und nicht einmal an dem angesehenen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh dürfte man über die Machtdemonstration erfreut sein.

Das CHE, das „heimliche Bildungsministerium“ (Die Zeit), evaluiert derzeit die „vereinfachten Entscheidungsprozesse“ der FU – und will dabei bundesweit um Akzeptanz zu werben. Das wird nun ungleich schwerer. Denn die Vereinfachung besteht in Durchgriffsrechten für den Präsidenten, dem naturgemäß viele Uni-Angehörige skeptisch gegenüberstehen. Gaehtgens hat alle Befürchtungen bestätigt. Er hat seine neuen Reformrechte missbraucht – um minimalen finanziellen Gewinn zu erzielen. 200.000 Mark spart er sich bei den Tutorien, das FU-Budget liegt bei 800 Millionen Mark.

Vielleicht aber ist Sir Peter auch der geeignete Mediator für die neuerliche Krise. Zeitweise war Ustinov, so weiß man an seiner Heimat-Universität in Durham, Rector einer schottischen Universität. Rector, das ist – der gewählte Repräsentant der Studenten. CHRISTIAN FÜLLER