Die Flucht des Milliardärs

Der reichste Mann Serbiens Bogoljub Karić hat sein Land eiligst verlassen – er fühle sich bedroht. Tatsächlich ist sein Wirtschaftsimperium in Gefahr, das er als Vertrauter Milošević’ aufgebaut hatte

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

Bogoljub Karić, einer der reichsten Männer des Balkans, hat am Montag Hals über Kopf samt seiner Familie Serbien verlassen. In Belgrad sei er sich seines Lebens nicht mehr sicher, schrieb Karić in einem an Jugoslawiens Präsidenten Vojislav Koštunica und Serbiens Premier Zoran Djindjić adressierten Brief. Er habe Scharfschützen in der Nähe seiner Villa gesichtet. Karić beklagte sich, dass das serbische Innenministerium und die Regierung sein Unternehmen mit „illegalen“ Mitteln unter Druck setzen würden. Deshalb würde er sich vorerst unter den Schutz eines anderes Staates, wahrscheinlich Russlands, stellen.

„Das mit den Scharfschützen ist doch Quatsch“, konnte man im Innenministerium erfahren. Hätte sich Karić trotz seiner privaten Armee von Leibwächtern physisch bedroht gefühlt, hätte er Polizeischutz fordern können. Auch Serbiens Vizepremier Zarko Korac brachte Karić’ Flucht mit den „Ergebnissen der Untersuchung der staatlichen Kommission für Missbrauch in der Wirtschaft“ in Zusammenhang.

Tatsächlich forderte der Gouverneur der jugoslawischen Nationalbank von Karić’ „Astra Bank“, binnen sechs Monaten rund 36 Millionen Dollar wieder ins Land zu bringen. Die „Astra Bank“ wird beschuldigt, das Geld ihrer Kunden über Zypern in waghalsige Geschäfte investiert zu haben, Millionensummen seien auf Privatkonten der Familie Karić gelandet. Außerdem soll das Karić-Imperium aufgrund eines Gesetzes über Extraprofit – dieses Gesetz soll alle Nutznießer der von Slobodan Milošević erteilten gesetzwidrigen Privilegien treffen – nachträglich 67,8 Millionen Mark Steuern zahlen.

Das Karić-Imperium wird auf rund eine Milliarde Dollar geschätzt. Allein in Serbien besitzt die Familie eine der zwei Mobiltelefongesellschaften, einen eigenen Fernsehsender, eine private Universität, eine Versicherungsgesellschaft und eine unübersichtliche Anzahl in der ganzen Welt verstreuter Firmen.

Der tief religiöse, aus dem Kosovo stammende Bogoljub (Gottlieb) Karić prahlte noch vor wenigen Jahren, „jederzeit auf einen Kaffee“ zu Milošević gehen zu können. Obwohl er eine Zeit lang wegen seiner Zusammenarbeit mit Milošević auf einer Liste der im Westen unerwünschten Personen stand, zeigt ihn ein Foto beim Frühstück mit dem Ex-US-Präsidenten Bill Clinton. Dem russischen Patriarchen Alexei schenkte Karić ein Flugzeug. Nach der Wende in Serbien berief sich Karić darauf, mehrmals mit dem Regime Milošević aneinander geraten zu sein – offenbar beeindruckte das die neuen Machthaber nicht.

„Die Flucht Karić’ ist die beste Nachricht seit der Auslieferung von Slobodan Milošević“, lautete eine Leserzuschrift im Belgrader Radiosender „B 92“. Serbiens Parlamentspräsident Dragan Marsicanin erklärte, Karić „personifizierte“ die enge Zusammenarbeit verschiedener Geschäftsleute mit dem Regime Milošević, die ihnen Riesengewinne eingebracht hätte. Deshalb sei es einleuchtend, Karić’ Geschäfte zu überprüfen.

In Belgrad räumen Kunden der bis vor wenigen Tagen als zuverlässig geltenden „Astra Bank“ schon nervös ihre Konten. Sollte es sich herausstellen, dass diese Bank auf unsolidem Fundament steht, würde das die ohnehin schwankende Wirtschaft Serbiens schwer erschüttern und so einige große Unternehmen zugrunde richten. In den serbischen Reformkreisen werden trotzdem die Maßnahmen gegen Karić als eine „mutige und notwendige Abrechnung“ mit der alten Milošević-Nomenklatur beurteilt.