Trittin legt sich mit der EU an

Der deutsche Umweltminister warnt die Brüsseler Kommission vor neuen Zulassungen für die kommerzielle Verwertung von gentechnisch manipulierten Pflanzen

BERLIN taz ■ Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will derzeit keine neuen Genehmigungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzensorten. In einem der taz vorliegendem Schreiben an Umweltkommissarin Margot Wallström fordert er die EU-Kommission auf, „alles zu unterlassen, was zu einer weiteren Verunsicherung der Verbraucher durch einen voreiligen Zulassungsprozess“ führen könne.

Trittin reagierte damit auf die Ankündigung der EU-Kommission, demnächst das seit drei Jahren geltende De-facto-Moratorium für die kommerzielle Verwertung von Gentech-Pflanzen aufzuheben.

Zum Ärger der Gentech-Industrie hatte die EU-Kommission im Oktober 1998 auf Druck mehrerer Mitgliedsstaaten alle laufenden Zulassungsverfahren für neue Gentech-Pflanzen ausgesetzt. Neue Anträge wurden nicht bearbeitet. In Deutschland erhielten selbst die von den EU-Behörden bis dahin genehmigten Pflanzen nicht die zu Vermarktung notwendige nationale Sortenzulassung. Vereinbart wurde seinerzeit, dass zuerst strengere Zulassungskriterien für kommerzielle Freisetzungen und die Vermarktung von Gentech-Produkten in Kraft treten sollten. So sollten die in den Handel gebrachten Gentech-Produkte überwacht werden, um mögliche Auswirkungen auf die Umwelt oder gesundheitliche Gefahren besser untersuchen zu können. Auch das Recht der Verbraucher, selbst entscheiden zu können, ob sie gentechnisch veränderte Lebensmittel überhaupt essen wollen, sollte berücksichtigt werden.

Seit März nun liegt die neue EU-Freisetzungsrichtlinie vor. Die Kommission hat neue Vorschläge für die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Pflanzen und den daraus hergestellten Produkten sowie für deren Rückverfolgbarkeit durch die Verarbeitungskette vorgelegt. Sie sieht daher keinen Grund mehr, das Moratorium noch weiter aufrechtzuerhalten, und setzt die Mitgliedstaaten unter Druck, das „europäische Paradox“ – exzellente Forschung, aber nur eine geringe wirtschaftliche Nutzung der Ergebnisse – aufzulösen.

In einem internen, von der britischen Tageszeitung The Independent veröffentlichten Papier, geht die Kommission davon aus, dass die Zahl der zugelassenenen Gentech-Pflanzen möglichst schnell verdreifacht werden müsse. Stillstand werde ernsthafte Folgen für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Europa haben, argumentiert sie.

Trittin ist damit nicht einverstanden. Die Freisetzungsrichtlinie sei bislang noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Auch liege die EU-Verordnung über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung nur als Entwurf vor, heißt es in seinem Schreiben an die EU-Umweltkommissarin. „Neue Zulassungsverfahren“ dürfe es erst geben, wenn die neuen Vorschriften auch „rechtswirksam geworden sind.“ WOLFGANG LÖHR