Mit Sicherheit verkehrt

Rechtsblock will Hamburg sicherer machen. Die taz prüft. Heute: Verkehr  ■ Von Sven-Michael Veit

Die neue Koalition ist angetreten, die Stadt sicherer zu machen. Doch als sicher kann sich nur ein Gemeinwesen titulieren, auf dessen Straßen man als Fußgänger und Radfahrer nicht um sein Leben bangen muss, in dem man keine Angst vor Arbeitslosigkeit, sozialem Abstieg, verweigerten Bildungschancen oder mangelnder Gesundheitsversorgung haben muss. Die taz prüft, inwieweit die bisher ausgehandelten Koalitionsvereinbarungen die Stadt Hamburg tatsächlich sicher(er) machen.

Tatort Feldstraße, vorigen Freitag. Der Linksabbieger brettert vor dem Gegenverkehr, der vom Neuen Pferdemarkt herannaht, rasant auf den Parkplatz von „Wal-Mart“. Zwei Autos bremsen hupend, ein Radler auf dem schmalen, aber gut einzusehenden Radweg geht mit blockierenden Bremsen fast kopfüber, mehrere PassantInnen springen zur Seite. Aus dem offenen Schiebedach des schwarzen Opels grüßen zwei zum V gestreckte Finger.

Die Zahlen sind bekannt: 38 Ermordete weist die Hamburger Kriminalstatistik 2000 aus, weitere 3451 wurden Opfer mit Körperverletzungen. Im Straßenverkehr verloren 41 Menschen ihr Leben, so der amtliche Unfallbericht für das vergangene Jahr, körperlich zu Schaden kamen 9715. Die Konsequenzen, welche die neue Rechtskoalition daraus ziehen will, sind seit wenigen Tagen ebenfalls bekannt: Die Frage, ob mensch sich in Hamburg noch auf die Straße wagen kann, beantwortet sie mit einem zukunftsweisenden „Bald gar nicht mehr“. Die verkehrspolitischen Vorstellungen des künftigen Schwarz-Schill-Senats fördern die Unsicherheit.

Beispiel Radwege: Möglichst flächendeckend sollen RadlerInnen von den Fahrbahnen wieder auf Radwege auf die Bürgersteige zurückgedrängt werden. Konflikte mit PassantInnen auf den meist engen Fußwegen und die Unfallgefahr für beide Gruppen werden dadurch zunehmen. „Wenig Sachverstand, viel Ideologie“, konstatiert Stefan Warda vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC).

Neue Radwege soll es eh nicht geben, die – ohnehin seltenen – Fahrradstreifen auf den Fahrbahnen sollen wieder entfernt werden, auch auf der Hochallee in Harves-tehude. In diesem Pilotprojekt wurde vor neun Jahren die vierspurige Wohnstraße auf zwei Fahrbahnen verengt. An den Seiten schließen sich je ein Parkstreifen und eine Radspur an, die Bürgersteige gehören den PassantInnen. Seitdem wurde die Straße viel ruhiger, die Zahl der Unfälle nahm erheblich ab, die Staus wurden nicht zahlreicher. Kein einziges Problem entstand neu, viele aber verschwanden. Dass damit nun Schluss sein soll, goutiert nicht einmal der natürliche Feind des ADFC, die Bleifuß-Lobby ADAC: „Zu einfach gedacht“, sagt dessen Präsident Rolf-Peter Rocke zum Rückbau der Hochallee.

Beispiel Falschparker: An Pollern würden Schiffe festgemacht, keine Autos, tönt FDP-Admiral Rudolf Lange. Weg mit den Dingern, lautet mithin seine Forderung, CDU und Schill sehen das genauso. Das Zuparken von Rad- und Fußwegen wird demnach zunehmen, aber kaum noch geahndet werden: Falschparken gilt künftig als Kavaliersdelikt, das Knöllchen wird koalitionär geächtet. Die Stadtkasse verliert jährliche Millionenbeträge, die Wege werden unsicherer.

Beispiel Raser: Sie müssen künftig nur noch vor Schulen und Seniorenheimen auf Radarfallen achten. Tempo-30-Zonen sollen weitgehend aufgehoben werden, auf freier Strecke gilt freie Fahrt mit Tempo 60. Faktisch heißt das 80 bis 90 km/h. „Eine Gefährdung der Verkehrssicherheit“, kritisiert Rolf Bonkwald vom Naturschutzbund (NABU).

Beispiel Stresemannstraße: Zwischen Pferdemarkt und Hols-tenbahnhof sollen die Busspuren zugunsten von vier Autospuren wieder aufgelöst werden, das Tempolimit 30 wird aufgehoben. ADFC und NABU monieren das massiv, selbst der ADAC ist skeptisch. Rocke schlägt vor, nach dem Vorbild der Max-Brauer-Allee die Busspuren außerhalb der Rush-Hour für Autos zu öffnen: „Das hat sich dort bewährt.“

Die Ausfallpiste Stresemannstraße war zurückgebaut worden, nachdem am 27. August 1991 die 9-jährige Nicola S. auf einem Zebrastreifen bei grüner Fußgängerampel vom einem LKW getötet worden war. Seitdem ging das tägliche Fahrzeugaufkommen von 42.000 auf 27.000 zurück, die Schadstoffbelastung halbierte sich beinahe.

Damit, wenigstens das ist unter Schwarz-Schill sicher, ist bald Schluss.