Schickeria ins Viertel

■ Der Beirat Östliche Vorstadt will die Konzessionssperre vor dem Steintor aufheben. Die Anwohner fordern mehr Polizei, Sauberkeit und Parkplätze.

Die „gehobene Klasse an Gas-tronomie und Menschen“ wolle man ins Viertel holen, um damit die „Krise“ des Stadtteils zu stoppen, umschreibt die Grünen-Beirätin Ute Treptow das Ziel des Beschlusses, den der Beirat Östliche Vorstadt am Dienstag ohne Gegenstimmen gefasst hat. Darin fordert er das Stadtplanungsamt auf, für die Straße Vor dem Steintor einen neuen Bebauungsplan vorzubereiten, der die Ansiedlung von weiteren „Speisewirtschaften, Konditoreien, Eisdielen und Cafés“ ermöglicht.

Seit fast 20 Jahren werden im Viertel nur noch in Ausnahmefällen neue Gastronomiebetriebe zugelassen. Mit der Konzessionssperre sollte bisher verhindert werden, dass die typischen kleinen Geschäfte von Restaurants und Kneipen verdrängt werden, die höhere Mieten zahlen können. Anlass für die Abkehr von der bisherigen restriktiven Praxis, die der Beirat dennoch als „im Großen und Ganzen erfolgreich“ bewertet, ist die wachsende Zahl von leerstehenden Ladenlokalen im Viertel. Allein in der Straße ,Vor dem Steintor' sind das inzwischen ein gutes Dutzend. Und es könnten bald mehr werden, wie Ortsamtschef Robert Bücking betont: 20 bis 30 Prozent der Einzelhändler im Viertel können ihre Kosten gerade noch so erwirtschaften.

„Das Ostertor und das Steintor müssen um ihren Standort kämpfen“, fordert Bücking. Dafür will er ein Quartierskonzept erstellen, mehr Polizeipräsenz erreichen, die Gehwegreinigung verbessern, ein Gründerzentrum ins Auge fassen und eben die Konzessionssperre aufheben. Denn erstens traut man dem Einzelhandel inzwischen nicht mehr zu, den Standortwettbewerb gegen die anderen Stadtteile und vor allem gegen die großen Einkaufszentren alleine zu gewinnen. Gastronomie und Einzelhandel, so die Vorstellung der Beiräte, sollen sich im Viertel gegenseitig stärken. Zweitens gibt es inzwischen so massive Konkurrenz durch andere Standorte und so viele leerstehende Läden, dass nach Bückings Worten „jeder willkommen ist, der hier investiert“.

Der größere Teil der anwesenden 50 EinwohnerInnen des Viertels bezweifelte allerdings, dass die Ansiedlung von „gehobener Gastronomie“ geeignet sei, die „schwerwie-genden sozialen Probleme“ des Stadtteils zu lösen. „Der Einzelhandel wird doch aus dem Viertel rausgepisst“, warf ein aufgebrachter Zuhörer ein und forderte „mehr Polizeipräsenz“: „Wenn in der Drogenszene keine Veränderung stattfindet, dann kommt doch kein Schmuckladen und keine Gastronomie hier her. Da muss drumrum noch was passieren.“

„Die Drogenabhängigenam Eck sind nicht die Ursache für die leerstehenden Läden im Viertel“, kontert Anton Bartling, der Drogenbeauftragte der Sozialsenatorin. Auch die von Anwohnern häufig beklagte Verschmutzung rühre zum weitaus größten Teil von Kneipen- und Weserstadionbesuchern her.

„Attraktivitätssteigerung“ heißt daher die Devise des Beirats, der über die Regelungen im neuen Bebauungsplan sicherstellen will, dass sich auch weiterhin keine neuen „sexorientierten Bars, Spielhallen sowie reine Schankwirtschaften und Imbisse“ im Viertel ansiedeln können. Die Einzelhändler denken bei „Attraktivitätssteigerung“ hingegen vor allem an mehr Parkplätze und häufigere Straßenreinigung. Die Aufhebung der Konzessionssperre sei „nur ein Baustein von vielen“, betonte Beirätin Angelina Sörgel (SPD). Und schließlich stellten in einem florierenden Viertel auch die wenigen verbliebenen Drogenkranken kein Problem mehr dar. Bücking wünscht sich daher Unternehmen, die „ein möglichst großes Publikum, und das auch von weiter her“ anziehen. „Die Hoffnung auf Schickeria ist schon ein bisschen da“, gibt er zu.

Armin Simon