Australische „Diggers“ an die Front

Als erstes Land neben Großbritannien verkündet Australien die konkrete Entsendung von Truppen zur Unterstützung der USA in Afghanistan. Damit könnte der Wahlkampf endgültig zu Gunsten der konservativen Koalition entschieden sein

aus Melbourne BORIS B. BEHRSING

1.550 australische Soldaten nehmen in den nächsten Tagen Abschied von ihren besorgten Familien und Freunden. Premierminister John Howard gab den im Volksmund „Diggers“ genannten Soldaten gestern den Marschbefehl in Richtung Afghanistan. Kurz zuvor hatte US-Präsident George Bush telefonisch um Unterstützung für den Krieg gegen den Terror ersucht. Zum australischen Kontingent gehören 150 Soldaten eines Sonderkommandos, drei Lenkwaffen-Fregatten, ein Amphibien-Kommandoschiff, vier Jagdbomber F/A-18, zwei Langstreckenaufklärungsflugzeuge Orion P3 und zwei Boeing-707-Jets zum Betanken von Flugzeugen in der Luft.

Seit dem Vietnamkrieg ist dies das größte Truppenkontingent, das Australien zu einem ausländischen Kriegsschauplatz schickt. Es ist auch größer, als die Regierung bisher erwartet hatte. Einige Militärstrategen sehen die Streitkräfte bereits „überfordert“, zumal australische Einheiten noch in Osttimor eingesetzt sind. Australiens Grüne warnen, die Wiedereinführung der Wehrpflicht könnte unumgänglich werden. Australien ist im Anzus-Pakt mit den USA verbündet, der Angriffe gegen die USA als solche gegen Australien wertet und ein Resultat des Zweiten Weltkriegs ist. Damals hatte die US-Pazifikflotte den australischen Kontinent vor der drohenden japanischen Invasion bewahrt.

Die Unterstützung der USA wird von der Labor-Opposition mitgetragen. „Auch wir stehen Schulter an Schulter mit Präsident Bush“, erklärte gestern Oppositionsführer Kim Beasley. Dabei könnte die Entscheidung zum militärischen Engagement Labors Siegchancen bei den Parlamentswahlen am 10. November endgültig zerstört haben. Seine eindeutige Antwort auf die Terroranschläge in den USA gab dem farblosen Premier Howard die Möglichkeit, sich als entschlossener Staatsführer zu profilieren. Nachdem seine konservative Koalition noch im August in den Umfragen weit hinter Labor lag, ist ihre Popularität in den letzten Wochen auf einen Vorsprung von zehn Prozentpunkten gestiegen. Dazu hatte zunächst die harte Haltung in der Krise um die afghanischen Flüchtlinge beigetragen, die vom norwegischen Frachter „Tampa“ gerettet worden waren.

Doch auch Proteste sind gegen den Militäreinsatz zu erwarten, den Howard selbst als „hoch riskant“ bezeichnete. Verärgert sind vor allem Australiens 300.000 Muslime. Der „Australisch-Arabische Rat“ bezeichnete den Regierungsbeschluss als „großes politisches Unglück und einen traurigen Tag für Australien“. Australien würde damit Ziel terroristischer Angriffe und rassistische Spannungen würden zunehmen. Nach dem 11. September wurden bereits mehrere Moscheen, Synagogen und christliche Kirchen angezündet.