Folteroffizier in Auslieferungshaft

Aufgrund eines Haftbefehls aus Deutschland wird jetzt ein ehemaliger Befehlshaber der argentinischen Militärdiktatur in Auslieferungshaft genommen. Er soll 1977 für die Ermordung der Deutschen Elisabeth Käsemann verantwortlich gewesen sein

aus Berlin BERND PICKERT

Die argentinische Justiz hat angeordnet, einen ehemaligen Befehlshaber der Militärdiktatur in vorläufige Auslieferungshaft zu nehmen. Aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Nürnberg vom 11. Juli diesen Jahres hat der argentinische Bundesrichter Gabriel R. Cavallo am 3. Oktober entschieden, die Auslieferungshaft für den 77-jährigen Carlos Guillermo Suarez Mason zu verfügen. Suarez Mason wird vorgeworfen, als ehemaliger Befehlshaber des 1. Heerescorps der Zone 1 der Militärjunta für die Ermordung der Deutschen Elisabeth Käsemann verantwortlich zu sein.

Die damals 30-Jährige war im März 1977 in Argentinien als politisch missliebige Person von den Militärs gefangen genommen worden. Nach mehrfacher Folter und Verlegung in verschiedene geheime Internierungslager der Militärjunta wurde sie in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai 1977 zusammen mit 15 anderen Gefangenen erschossen. Sowohl die Einheiten, die Käsemann verhafteten. als auch jene, die sie ermordeten, standen unter Befehlsgewalt von Suarez Mason.

Für den ehemaligen Offizier, der bereits Ende der 80er-Jahre wegen vielfachen Mordes in Argentinien verurteilt, dann aber amnestiert worden war, ändert sich zunächst nicht viel: Er steht ohnehin unter dem Vorwurf der Kindesentführung unter Hausarrest. Dass er tatsächlich an Deutschland ausgeliefert wird, erscheint unwahrscheinlich. Die letzte Entscheidung darüber liegt bei der argentinischen Regierung – und die hat sich in vergleichbaren Fällen stets verweigert. Zuletzt im Falle des als „blonder Todesengel“ bekannten ehemaligen Folterers Alfredo Astiz, der 1990 in Frankreich wegen der Ermordung zweier französischer Nonnen in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und seither per internationalen Haftbefehl gesucht wird. Als sich Astiz Anfang Juli dieses Jahres wegen der Beschuldigung des Kindesraubes der argentinischen Justiz stellte, beantragten sowohl Frankreich als auch Italien seine Auslieferung. In Rom wird gegen Astiz wegen des Verschwindens dreier italienischer Staatsbürger ermittelt. Mitte August wies Argentiniens Regierung beide Auslieferungsbegehren zurück.

Pfarrer Kuno Hauck von der „Koalition gegen Straflosigkeit“, einem Zusammenschluss von Rechtsanwälten und Menschenrechtsorganisationen, der in Deutschland die Fälle von deutschen oder deutschstämmigen Verschwundenen der argentinischen Diktatur bearbeitet, interpretierte denn auch die richterliche Anordnung der Auslieferungshaft als Zeichen eines sich vergrößernden Konfliktes zwischen Argentiniens Justiz und der Politik. Während sich die Justiz der strafrechtlichen Aufarbeitung der Diktatur immer offensiver widme, weiche die Regierung stets zurück.

Die Nürnberger Justiz muss jetzt ein begründetes Auslieferungsgesuch überstellen, dann muss Bundesrichter Cavallo entscheiden, ob er die Auslieferung beantragt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Justiz die Auslieferung beschließt, die Regierung sie aber verweigert.

Die „Koalition gegen Straflosigkeit“ bemüht sich derzeit darum, dass sich auch die deutsche Bundesregierung des Falles annimmt: Anfang 2002 will Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Argentinien reisen und könnte die Kooperation der argentinischen Regierung energisch anmahnen. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) jedenfalls hat die deutschen Strafverfahren gegen argentinische Militärs in den letzten Monaten unterstützt und sich auch öffentlich verärgert über die Verweigerung der Rechtshilfe durch die argentinischen Behörden gezeigt.