Mit Gespür für Kriegsvorbereitung

Der Kanzler rüstet Land und Leute für den Kampf gegen den fernen Feind. Die CSU stört dabei. Der „Fuchs“-Spürpanzer nützt

„Glos hat über Zeiträume gesprochen, über vertrauliche Details“

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Mittwoch, 19. September, Deutscher Bundestag. Das Parlament debattiert erstmals über einen deutschen Beitrag zur Anti-Terror-Koalition. Als einzige Fraktion lehnt die PDS eine militärische Unterstützung der USA ab. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos dreht sich am Rednerpult in Richtung der Regierungsbank: „Herr Bundeskanzler, wir müssen uns deshalb fragen, ob es richtig ist, dass diejenigen, die aus der Gemeinsamkeit der Demokraten ausscheren, noch dabeisitzen, wenn die Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag unterrichtet werden.“

Mittwoch, 17. Oktober, Bundespressekonferenz. Der Bundeskanzler ist „überrascht und enttäuscht“ von Michael Glos. Sagt der Regierungssprecher. Weil Glos nach der Kanzlerrunde vom Montag „die vereinbarte Vertraulichkeit“ verletzt habe. Auf der Fahrt nach Darmstadt habe der Kanzler davon erfahren, teilt der Sprecher mit. So wichtig war der Vorfall, soll das heißen. Glos war von Agenturen zitiert worden, vielleicht müsse der Bundestag in der ersten Novemberwoche über eine deutsche Beteiligung beraten. „Er hat über Details eines vertraulichen Gesprächs informiert.“ Wieso Details? „Er hat über Zeiträume gesprochen.“ Aber der Bundeskanzler selbst sagte doch am Dienstag, er rechne schon in Kürze mit einer deutschen Beteiligung? „ ‚Schon in Kürze‘ ist ein Begriff zwischen Wochen und Monaten.“

Die Stimmung in Berlin ist nervös in diesen Tagen. Claudia Roth fordert einen Bombenstopp, Joschka Fischer und die grüne Fraktionsspitze stimmen erst zu, distanzieren sich wieder, und obendrein meldet die Bild, die USA hätten bereits deutsche Spürpanzer gegen ABC-Waffen sowie Sanitätssoldaten angefordert. Da hat Gerhard Schröder auf Michael Glos nur gewartet.

Während der Bundeskanzler Land und Leute rüstet für den Kampf gegen den fernen Feind in Afghanistan, wechselt er das Feld der innenpolitischen Kontroversen inzwischen fast täglich. Am Dienstag hatte er gegen Claudia Roths Forderung eigens seine „Richtlinienkompetenz“ angeführt. Wer dagegen verstoße, so lautete sein Rückfall in die Zeiten des „Machtwort-Kanzlers“, müsse sich über die Konsequenzen klar sein. Am nächsten Morgen aber waren Schröders Helfer bereits angewiesen, den Konflikt aus der Koalition hinaus- und in die Opposition hineinzutragen.

„Glos ist ein Tölpel“, legte Wilhelm Schmidt los, der Fraktionsgeschäftsführer der SPD. Der CSU-Chef im Bundestag habe sich von Imponiergehabe leiten lassen. Seine Informationen habe er gezielt gestreut, um in der Koalition und der Öffentlichkeit Unfrieden zu stiften. Mit diesem Vorwurf gibt Schmidt die große Sorge des Schröder-Lagers preis: Den Prozess der psychologischen Kriegsvorbereitung nicht mehr selbst steuern zu können. Gerade der SPD steckt noch die Abstimmung über den vergleichsweise harmlosen Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr in den Knochen, als die große Zahl von Abweichlern die Koalition um eine eigene Mehrheit brachte. Um die Abgeordneten zur Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz zu bewegen, bedarf es daher gründlicher Überzeugung.

Eines der besseren Argumente der Bundesregierung heißt Spürpanzer „Fuchs“. Aus Sicht von Rot-Grün handelt es sich daher um „Defensivgerät“ (siehe unten). Zwar wiederholte Regierungssprecher Heye gestern, dass es aus den USA noch keine konkreten Anfragen gebe und Entscheidungen daher nicht anstünden. Doch sprach die grüne Verteidigungsexpertin Angelika Beer im Zusammenhang mit den Spürpanzern bereits von „realistischen Erwartungen“. Dass die Spürpanzer wohl auf einer Liste amerikanischer Wünsche stehen werden, wird in Berlin schon länger vermutet und auch in Regierungskreisen nicht ernsthaft bestritten. Unklar ist, ob die „Füchse“ den USA mit oder ohne ihre vierköpfige Besatzung zur Verfügung gestellt würden. Im Golfkrieg hatte die damalige Bundesregierung noch die Hülle ohne Inhalt geliefert. In den Worten des Sprechers von Verteidigungsminister Rudolf Scharping: „Ich kann mir vorstellen, dass auch Nichtdeutsche ein solches Gerät bewegen können.“

Die PDS ist übrigens drei Wochen nach Michael Glos’ Intervention im Bundestag aus den vertraulichen Info-Runden beim Kanzler hinausgeflogen. Als offizielle Begründung diente der Parteitagsbeschluss gegen den Krieg. Bei Glos wird Gerhard Schröder es vorerst bei einer Verwarnung bewenden lassen.