Krieg Ja oder nein?
: Ein Taliban macht keinen Staat

■ Wie steht Bremen zum Krieg? Eine taz-Serie (Teil 10)

Das Selbstverteidigungsrecht der USA (Art. 51 UN-Charta), seine Auslegung seit den Terrorangriffen am 11.09.2001 und seine Beschränkungen leiten die rechtliche Bewertung der anglo-amerikanischen Angriffe auf die Taliban. Unausgesprochen ist zugrunde gelegt, sie richteten sich gegen Afghanistans rechtmäßige Regierung. Tatsächlich sind die seit 1993 aus Pakistan einmarschierten islamischen Fundamentalisten nur eine mächtige Bürgerkriegspartei, die ihre Macht auch auf „Gotteskrieger“ aus arabischen und afrikanischen Staaten stützt.

Das Selbstverteidigungsrecht der USA erhielte erst Relevanz, wenn sie gegen dritte Staaten militärisch vorgehen wollten. Seit dem Abzug der Sowjetarmee 1989 ist Afghanistan im Bürgerkrieg. International anerkannt ist die Regierung des Islamischen Staates Afghanistan Burhanuddin Rabbani, die das Land in den UN vertritt; die Nord-Allianz stellt ihr Militär. Da der Bürgerkrieg andauert, verliert sie die völkerrechtliche Position nicht, obwohl ihr Herrschaftsbereich kleiner ist, als der der Taliban; deren Anerkennung durch Pakistan, Saudi-Arabien und die VAR ändert dies nicht.

Zur Wiederherstellung der vollen Souveränität bemühte die Regierung Rabbani sich lange um Hilfe, auch Luftunterstützung gegen den Bürgerkriegsgegner Taliban. Die Regierung Rabbani hat den militärischen Aktionen zugestimmt; dazu ist sie als legitime Regierung Afghanistans berechtigt.

Pakistan aber verletzte Afghanistans Souveränität. Für Ruhe im Hinterhof, und um die Landverbindungen nach Zentralasien wiederherzustellen, wurden die Taliban aufgebaut, die ab 1993 nach Afghanistan einmarschierten; seither stützt sie der Geheimdienst ISI. Islamabad will eine ihm genehme paschtunische Regierung in Kabul, lehnt daher die Regierung Rabbani und die Nord-Allianz aus vielen Stämmen ab. Es ist ein wichtiger Erfolg der USA, Pakistan von einer Pro-Taliban-Haltung abzubringen.

Für den Aufbau eines demokratischen und modernen Afghanistan, das es unter dem letzten König weithin war, werden die Regierung Rabbani und die in ihr repräsentierten Kräfte viel Hilfe brauchen. Rabbani erklärte am 12.10.2001 in einer Pressekonferenz in Duschanbe/Tadschikistan ausweislich einer russischen Sendung der Deutschen Welle-Radio: „Nach der Wiederherstellung des Friedens sollte eine Übergangsregierung gebildet werden, an der alle politischen Kräfte und Landesführer beteiligt werden sollten, außer Terroristen und jenen, deren Hände bis zum Ellenbogen in Blut stecken. Es sollte eine republikanische Regierungsform sein.“ Das wird inhaltlich noch auszufüllen sein, gibt aber eine Richtung an, die eher zum Frieden führt, als die Taliban gewähren zu lassen.

Prof. Dr. jur. Erich Röper , Zentrum für Europäische Rechtspolitik an der Universität Bremen (ZERP)