Die Quadratur des Kreuzes

Optionen über Optionen im politischen Farbenspiel. Welche Stimme bringt welche Regierung? – eine unlösbare Frage. Warum der taktische Wähler am Sonntag mit seinem Latein am Ende sein wird

von UWE RADA

Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz. Vorbei die Zeiten, in denen auch drin war, was auf dem Wahlzettel draufstand. Schlechte Zeiten also für einfache, weitaus bessere dagegen für taktische Wähler.

Da sind die klassischen Grünen-Wähler. Bärtige Lehrer darunter, Heilpraktikerinnen, allein erziehende Väter. Jahrelang haben sie dem Sturz des Diepgen-Senats entgegengefiebert, dann kam Rot-Grün. Und nun, diese verflixte Wahl. Rot-Grün, so heißt es allenthalben, reiche nicht. Ampel oder Rot-Rot, das ist hier die Frage. Doch Rot-Rot ist bekanntlich ohne Grün, und die Ampel steht auf Gelb. Hat man dafür etwa den Diepgen gestürzt? Und doch: Überall heißt es: Wer Grün wählt, wählt zwar nicht Rot-Rot, aber Rexrodt. Sollte man deshalb vielleicht lieber CDU wählen? Die Stimmen im bürgerlichen Lager zu Ungunsten der FDP stärken, in der leisen Hoffnung, es würde doch noch reichen für eine eigene rot-grüne Mehrheit? Taktik, so stellt man plötzlich fest, ist nicht nur ein schwieriges, es ist auch ein schmutziges Geschäft.

Das gilt natürlich auch für die konservativen Wähler, den Honoratioren in Charlottenburg etwa oder die Wilmersdorfer Witwen. Vielen von denen ist Steffel viel zu stofflig. So kam es, dass die CDU mit der Kür ihres Spitzenkandidaten zum besten Wahlhelfer der FDP wurde. Nur: Wenn Honoratioren und Witwen jetzt Steffel unter den Teppich kehren und aus lauter Verzweiflung für Rexrodt stimmen, wählen sie fast automatisch auch die grüne Spitzenkandidatin und das ehemalige SED-Mitglied Sibyll Klotz in den Senat. Ist das dann Taktik oder Tragik? Immerhin, könnte man sagen, verhinderte eine Ampel mit Klotz eine Regierungsbeteiligung der PDS. Und die CDU könnte in der Opposition wieder Kräfte sammeln.

Ganz schwierig ist es für die PDS-Wähler, zumindest für die, die auch mal wieder regieren wollen. Doch einen Kultursenator Gysi würde es wohl nur geben, wenn es für Rot-Rot nicht reichte und die Grünen dazwischenschlüpfen müssten, sozusagen als argumentativer Puffer gegen Franz Müntefering und den Kanzler, die sich nichts lieber wünschen als auch im Roten Rathaus den Wind einer wehrhaften Demokratie. Zu viel PDS dagegen hieße automatisch Opposition. Zumindest die roten Stänkerer dürfte das freuen.

Tja, und dann gibt es ja noch die Wowi-Wähler? Die müssen nicht einmal taktisch sein, und es ist auch so gut wie sicher, dass ihr Knuddelbärchen weiter alten Omis die Hände schütteln darf. Fragt sich nur, wer mitschüttelt, Rexrodt und Klotz? Oder Gysi? Doch so Leid es uns tut, darauf haben die SPD-Wähler keinen Einfluss. Es sei denn, sie blockieren die Wahllokale im alten Westberlin und hindern die CDU-Anhänger Gelb zu wählen.

So ist das wohl. Der taktische Wähler ist mit seinem Latein bald am Ende. Warum also nicht gleich der richtigen, also der inneren Stimme vertrauen? Und jenen Taktikern in den Parteien, die sich sicher ausdenken werden, wie man ungeliebte Koalitionen totverhandelt. Oder Kröten als heimliche Prinzen verkauft.