Berliner CDU reißt Angela Merkel mit

Die Parteichefin wollte ja Wolfgang Schäuble in die Hauptstadt locken. Trotzdem wird es als ihr Misserfolg verbucht werden, sollte die Union am Sonntag den prognostizierten Totalabsturz von zuletzt mehr als 40 auf 27 Prozent erleben

BERLIN taz ■ Angela Merkel hatte es gut gemeint. Anstelle des jungen Frank Steffel wollte sie Wolfgang Schäuble ins Rennen um die Hauptstadt schicken. Und auf „Sachthemen“ wollte sie setzen, statt einen Lagerwahlkampf zu führen.

Helfen wird ihr das nichts. Zwei Tage vor der Berlin-Wahl ist die CDU in den Umfragen auf 27 Prozent abgerutscht – ein Desaster für die Partei, die bei der Landtagswahl 1999 noch 40,8 Prozent erreichte. Dieser mögliche Totalabsturz wird Merkel innerparteilich ebenso angelastet werden wie die Schwäche, den rechten Ausleger Steffel nicht verhindert zu haben.

Der Ausgang der Hauptstadtwahl sei für die Zukunft der Parteichefin „nicht ausschlaggebend“, hat Steffel gestern gesagt – will er doch nicht als potenzieller Königsmörder dastehen. In der Bundespartei werden nach der Wahl die Argumente für jene, die Merkel zum Verzicht auf die Kanzlerkandidatur bewegen wollen und auf Edmud Stoiber (CSU) setzen, noch zwingender.

Den Anspruch Merkels auf die Führungsrolle mit dem Ergebnis der Hauptstadtwahl zu verknüpfen – das hat bereits Josef Sebastian, CDU-Parlamentarier und Sprecher der „Gruppe 94“, in dieser Woche ins Spiel gebracht. Postwendend war Kohl-Spezi Sebastian von Merkel selbst, dem thüringischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und dem rheinland-pfälzischen Landeschef Christoph Böhr zurückgepfiffen worden. Es gebe nichts an Angela Merkel und ihrem Zeitplan „herumzumäkeln“, die Kandidatenfrage erst im kommenden Frühjahr zu entscheiden.

Sorge bereitet die Führungsrolle Merkels aber auch dem liberalen Flügel der Fraktion. Mit dem Berliner Wahlausgang und dem Kandidaten Steffel würden zwei offene Flanken Merkels sichtbar, die den „Erosionsprozess“ ihrer Person nur mehr beschleunigen könnten, analysiert ein Fraktionsmitglied. Weder vermittle Merkel das Gefühl, mit ihr könnten Wahlen gewonnen werden. Noch hätte sie es geschafft, den programmatischen Erneuerungsprozess einzulösen.

Niemand glaubt in der CDU daran, dass am Montag nach der Wahl auf der Präsidiumssitzung gegen Merkel geputscht werden könnte, würde doch die Partei danach ein völlig chaotisches Bild vermitteln. Gelingt es Merkel jedoch nicht, bis zum Bundesparteitag in Dresden im Dezember, ihre Richtlinienkompetenz in der CDU wieder zu begründen, wäre dies erneut ein Signal für den konservativen Flügel, am Zeitplan der Kandidatenkür und Merkels Ambitionen zu rütteln. Zugleich droht ein zweiter Termin, die Klausurtagung in Wildbad Kreuth im Januar, zur Revision des beschlossenen Vorstandsplans.

Edmund Stoiber braucht all dem nur gelassen entgegen zu sehen. Er hat sich weder festgelegt zu kandidieren noch gesagt, dies nicht zu tun. Er braucht nicht einmal die Unterstützung etwa von Ex-Gesundheitsminister Seehofer, der Stoiber zur Kandidaturaussage drängt. CSU-Strategen meinen, dass der Druck auf Stoiber zwar in dem Maße wächst, wie Merkel schwächer wird. Doch der Ruf kommt dann nicht nur aus der eigenen Partei, sondern aus der CDU selbst – eine ideale Ausgangslage. ROLF LAUTENSCHLÄGER