Es geht um Vernichtung des Gegners

USA bereiten Kampfeinsätze auf dem Boden Afghanistans vor. Kleine Einheiten sollen nicht das Land kontrollieren, sondern kurz und gezielt zuschlagen

von BERND PICKERT

Die USA beginnen mit dem Einsatz von am Boden operierenden Einheiten in Afghanistan. Es geht nicht mehr nur um die Markierung von Zielen, das Auskundschaften von Gelände, es geht um Kampfeinsätze. Der Ausdruck „Bodentruppen“ allerdings führt in die falsche Richtung, denn nach wie vor gehört es nicht zu den Zielen des US-Einsatzes, in einem konventionellen Krieg Territorien zu gewinnen, Nachschubwege über Land zu organisieren oder Städte zu besetzen.

Diesen Part wollen die USA offenbar tatsächlich der talibanfeindlichen afghanischen Nordallianz überlassen. Die jedoch, seit Tagen in heftige Kämpfe mit den Taliban rund um die Stadt Masar-i-Scharif verwickelt, beklagt sich zunehmend über mangelnde Unterstützung von Seiten der USA. US-Konteradmiral John D. Stufflebeem sagte dazu bei einer Pressekonferenz im Pentagon am Mittwoch, die USA verfolgten mit den Luftangriffen lediglich ihre eigene Strategie – wenn das der Nordallianz helfe, sei das in Ordnung, aber nicht das prioritäre Ziel der Angriffe.

Tatsächlich versuchen die USA sich bei der Unterstützung der Nordallianz zurückzuhalten – denn dass deren ethnische Zusammensetzung aus Usbeken und Tadschiken in der mehrheitlich paschtunischen afghanischen Bevölkerung nicht mehrheitsfähig ist, ist bekannt. Außerdem ist Pakistan ein erklärter Gegner der Nordallianz – gleichzeitig aber unverzichtbarer Partner der USA in diesem Krieg.

Die US-Kriegseinsätze spiegeln insofern die Unsicherheit über die politische Zukunft Afghanistans wider. Es geht nicht um Kontrolle von Territorium, es geht um Vernichtung des Gegners. Zum Einsatz kommen daher nicht konventionelle Bodentruppen, sondern vielmehr mobile Einheiten der Special Operation Forces, die auf dem Flugzeugträger „Kitty Hawk“ stationiert sind und von dort aus mit Hubschraubern zum Einsatzgebiet gebracht werden. Ihre Aufgabe wird es sein, binnen möglichst kurzer Einsatzzeit Taliban-Einheiten und mutmaßliche Gruppen von Ussama Bin Ladens Al-Qaida-Organisation aufzuspüren, Lager und Munitionsdepots zu zerstören und die Gegner zu töten oder gefangen zu nehmen.

Die Sondereinsatzkräfte operieren in Einheiten von 60 bis 80 Mann, die von fünf bis acht Hubschraubern transportiert werden. Auf der „Kitty Hawk“ sollen neben den „Seahawk“-Helikoptern auch die bislang von der US Army erworbenen Prototypen des „Comanche II“-Hubschraubers einsatzbereit sein – einer hypermodernen, wendigen Kampfmaschine, die mit unterschiedlichen Raketentypen und Bewaffnungen ausgestattet werden kann. Die US-Armee hat über 1.000 dieser Hubschrauber bestellt – doch sollen sie erst im Jahr 2006 serienreif sein. Sowohl Seahawk- als auch Comanche-II-Hubschrauber bringen die Soldaten nicht nur in ihr Einsatzgebiet, sie können dort auch aktiv ins Kampfgeschehen eingreifen. Sofort nach dem Einsatz kehren die Gruppen wieder zurück.

Unklar ist, wie gefährlich die noch vorhandenen mobilen Flugabwehrkräfte der Taliban für solche Operationen sind, etwa die einst von den USA selbst gelieferten Stinger-Raketen, die sowohl auf leichten Fahrzeugen montiert als auch von einem Soldaten von der Schulter aus abgefeuert werden können. Sie sind mit einer automatischen Zielerkennung ausgestattet, erreichen aber nur eine Höhe von rund 3.000 Metern. Während die bisher geflogenen Angriffe aus einer Höhe erfolgten, die für die Flugabwehr nicht erreichbar war, müssen die Hubschrauber bis an den Boden. Risikofrei können die USA diese Einsätze keinesfalls starten, trotz aller Technik, die den Einsatzkräften zur Verfügung steht.

Und ein weiteres Risiko droht: Wenn sich die Taliban und Al-Qaida-Truppen nicht wie erhofft in den Bergregionen verschanzen, sondern vielmehr Schutz in den Städten suchen, wird der Einsatz der Spezialeinheiten ungleich schwieriger – und schwerer zu verbergen. So galt der bislang geführte Luftkrieg auch dem Ziel, die Taliban zur Aufgabe der Städte zu bringen. Nach den bislang vorliegenden Informationen sind die USA von diesem Ziel jedoch noch weit entfernt.

Neben den US-amerikanischen könnten auch die Sondereinsatzgruppen anderer an der Anti-Terror-Koalition teilnehmender Staaten beteiligt werden. Seit Tagen wird darüber spekuliert, ob etwa die deutschen Kommando Spezial-Kräfte (KSK) eine Befreiungsaktion für die festgehaltenen Mitarbeiter der christlichen Hilfsorganisation „Shelter Now“ unternehmen könnten. Der britische Premierminister Tony Blair hat bereits recht eindeutig angekündigt, die britischen SAS – unter den alliierten Streitkräften die erfahrenste Sondereinsatzgruppe – würden sich an Kommandoaktionen beteiligen, und auch Frankreichs Verteidigungsminister Alain Richard sagte gestern, es sei „in der Tat möglich, dass französische Spezialeinheiten an einigen Einsätzen beteiligt sein werden“.