Clint Eastwood in der City

„Ein Sport wie jeder andere“? Im Hanseatic Gun-Club in der Innenstadt kann ohne Waffenschein geballert werden  ■ Von Philipp Sidhu

Schützenvereine werden gedanklich gerne in süddeutsche Bergtäler verbannt. Dorthin, wo das Bier billig und die Tracht der Bewohner keine Geschmackssache ist. Möglicherweise rührte auch daher das Entsetzen, als zu Beginn des Jahres der Hanseatic-Gun Club eröffnete – ein amtlich zugelassener Schießstand mitten in Hamburgs Innenstadt. Dorthin kann gehen, wer Entspannung bei zielgerichtetem Geknalle sucht. Ganz ohne Waffenschein: Eintritt hat, wer Personalausweis und polizeiliches Führungszeugnis vorlegen kann.

Jenseits solch amtlich eingerichteter Schießstände darf eine Waffe nur nutzen, wer eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz hat: Das regelt den Erwerb, die Zulassung und das Führen von Schusswaffen. Es unterscheidet zwischen der reinen Waffenbesitzkarte (WBK) und dem Waffenschein (WS), mit dem man die Waffe auch in der Öffentlichkeit bei sich tragen darf. Beides erhält nur, wer eine Prüfung durch das Ordnungsamt bestanden hat. Das macht sich ein Bild von der Sachkenntnis und Zuverlässigkeit des Antragstellers. Für den Waffenschein muss der Antragsteller zudem nachweisen, konkret gefährdet zu sein.

Eine der wenigen Ausnahmen gilt für Schützenvereine und Schießstände wie dem Hanseatic Gun Club in der Innenstadt. Dort ist die gesamte Schießanlage lizensiert, so dass sich die einzelnen NutzerInnen nicht mehr um eine Genehmigung kümmern müssen.

Kritiker des Gun-Club befürchten eine Brutalisierung der Gesellschaft. Bei der Eröffnung vermuteten sie ein paramilitärisches Trainingslager und stellten den Inhaber Alfred Reinecke als Mischung aus schmierigem Kashoggi und schießwütigem Dirty Harry dar. Reine-cke, der real eher als erfolgreicher Jungunternehmer denn als Revolverheld daherkommt, machte die Sache nicht besser, indem er sich in Clint-Eastwood-Pose auf dem Schießstand abbilden ließ. Daraufhin warf sich das Fachblatt Visier in die Bresche, argumentierte auf der Linie Nicht-die-Waffe-sondern-der-Mensch-tötet und verhöhnte Kritiker kurzerhand als „Gutmenschen“.

Reinecke lehnt seitdem jedes Gespräch mit der Presse ab. Sowohl die Berichterstattung der Waffenbrüder von Visier als auch die der Bedenkenträger sei ihm „zu blutig“. Für ihn ist Schießen „ein Sport wie jeder andere“. Nach kurzem Zögern fügt er hinzu, dass ihm natürlich bewusst sei, dass „seine Geschäftsidee einen sensiblen Bereich betreffe und polarisiere“. Aber, so Reinecke, sein Club sei rechtlich dasselbe wie ein Schützenverein.

Für Aufregung hatte auch die Ankündigung gesorgt, im Hanseatic-Gun-Club könne mit Großkaliber geschossen werden. Wird des Nachts vom Ballindamm aus mit Artillerie über die Alster geballert? Reinecke reagiert gereizt. Zum einen werde nicht in der Öffentlichkeit geschossen, zum anderen bevorzugt er die Bezeichnung Gebrauchswaffen. Denn Waffen mit kleinerem Kaliber werden ohnehin nur noch bei olympischen Schießwettbewerben verwandt. Selbst in den Schützenvereinen, so Reine-cke, werde schon lange mit Gebrauchswaffen geschossen. Darunter fallen alle mit einem Kaliber über 0,22.

Die Mitglieder des Gun-Club rekrutieren sich zum größten Teil aus Leuten, die auf die Vereinsmeierei der Schützenvereine verzichten wollen: Bankangestellte beispielsweise, die in den umliegenden Geschäftsgebäuden arbeiten oder ihren Geschäftsfreunden ein „besonderes Erlebnis“ anbieten wollen. Natürlich, sagt Reinecke und lacht zum ersten Mal, „wenn einer sich eine grüne Kappe aufsetzen möchte“, kann er das selbstverständlich auch im Hanseatic-Gun-Club tun. Was das Outfit anbelangt, könne es natürlich „auch ein Cowboyhut sein“.