Viele Probleme sind weit weg geparkt

Kein Sonnenstrahl ist am dunklen Himmel zu sehen. Die Berliner Sozialpolitik verwaltet zunehmendes Elend

Sozialpolitiker und -politikerinnen erkennt man derzeit an den immer steileren Falten auf sonst glatt lächelnden Gesichtern. Angesichts chronisch leerer Senatskassen – derzeit 78 Milliarden Mark – trifft die Rezession Berlin besonders hart.

Zu den Sorgenkindern zählen dabei insbesondere Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Deren Zahlen steigen konstant. 273.017 Arbeitslose sind derzeit beim Landesarbeitsamt registriert, darunter rund 100.000 Frauen, 46.000 Migranten und 35.000 Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 25. Lebensjahr. In Prozentzahlen klingt die Lage auch nicht besser: Mit 16 Prozent liegt die Arbeitslosenquote deutlich über den 15,3 Prozent vom Vorjahr.

Während Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) vor allem die Unternehmer drängt, dauerhafte Jobs zu schaffen, fordert man bei den Gewerkschaften ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand. „Wenn die Privatwirtschaft am Ende ihrer Kapazitäten ist, muss das Land Berlin einspringen“, sagt Safter Cinar vom DGB Berlin-Brandenburg. Die Gewerkschaften verweisen hierbei auf die senatsamtliche Einschätzung, dass „die geringere Entlastung durch öffentlich geförderte Beschäftigung“ die Zahlen in die Höhe treibt. Kürzungen bei der öffentlichen Zuwendung für Projekte und Initiativen machen sich hier besonders bemerkbar. Knapp 11.500 ABM-Maßnahmen sind derzeit noch bewilligt, dazu kommen 22.164 in Weiterbildungskursen „geparkte“ Männer und Frauen sowie rund 4.000 so genannte Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM).

Durch besondere Förderprogramme für Frauen und Jugendliche versucht das Haus Schöttler derzeit, die Krise abzumildern. So sollen durch Lohnkostenzuschüsse tausend neue Stellen für Jobsuchende unter 25 Jahren geschaffen werden. Darüber hinaus werden zusätzliche 6,4 Millionen Mark für 1.400 Jobs für Sozialhilfeempfänger bereitgestellt. Dass es sich dabei allenfalls um den Tropfen auf den heißen Stein handelt, ist kein Geheimnis. Denn zurzeit sind bei den Sozialämtern rund 260.000 Hilfeempfänger registriert. Als Verdienst der Senatorin gilt die Vermittlung von rund 30.000 Sozialhilfeempfängern in AB-Maßnahmen im vergangenen Jahr.

Auch wenn der Vorwurf, die 46-jährige Schöttler habe ihren Posten lediglich der Dreifachquote „Ossi, Frau und Vertreterin der SPD-Linken“ zu verdanken und sei „überfordert“, in jüngster Zeit nicht mehr so oft zu hören ist, bietet das Mammutressort Arbeit, Soziales und Frauen noch genügend Stolpersteine. Neben Dauerstreits mit Ärztevereinigungen ist da vor allem die finanzielle Schieflage der Klinik GmbH Vivantes, in der seit Anfang des Jahres die zehn städtischen Kliniken zusammengefasst sind. Nach der als Erfolg gefeierten Budget-Einigung zwischen Klinik GmbH und Krankenkassen im Sommer beginnt jetzt die Sparpille ihre Wirkung zu entfalten. Hinzu kommen die Abwicklung des Krankenhauses Moabit, der Streit um das Klinikum Buch und die Unikliniken. Bei der Gewerkschaft Ver.di wird befürchtet, angesichts „von Sparwut und verschwommenen Konzepten aller Parteien im Gesundheitssektor“ könnte die mühsam zusammengezimmerte Klinik GmbH demnächst schon wieder zerschlagen werden.

Ob es nach den Wahlen das Mammutressort inklusive der jetzigen Senatorin noch geben wird, hängt wesentlich von der Koalitionskonstellation ab. Grünen-Spitzenkandidatin Sibyll Klotz wird beispielsweise nachgesagt, sie würde das Ressort gerne übernehmen. Die PDS favorisiert dagegen eine Entzerrung, die Bereiche Arbeit und Frauen sollten dem Wirtschaftsressort zugeschlagen werden.

HEIKE KLEFFNER