Wiedervereinigung in Dakar

Einst prägte das Orchestra Baobab den Sound von Senegal. „Pirate’s Choice“, ihr Meisterwerk von 1982, wird nun wieder veröffentlicht – und ein Comeback steht bevor

Samstagabend ist auch in Dakar die beste Zeit zum Ausgehen. Im „Soumbe“, einem strohgedeckten Tanzclub, sind gut hundert Gäste, alle so um die 40. Viele Paare sitzen an den kleinen Tischen, einen Drink vor sich, während andere auf der Tanzfläche zu Salsa, Mambo oder sogar Cha-Cha-Cha die Hüften wiegen. Es gibt sie noch in Westafrika, die klassischen Salsa-Bands, die in den 70ern ihre große Zeit hatten. Die Gruppe, die heute Abend zum Tanz aufspielt, ist eines der Flaggschiffe jener Ära: Bembeya Jazz National, das ehemalige Staatsorchester von Guinea.

An der Theke lehnt Balla Sidibé, einst Mitbegründer und Sänger des ebenso legendären Orchestra Baobab und damit selbst eine Ikone jener Tage. Nach ihrem Auftritt kommen immer wieder Musiker von Bembeya Jazz zu ihm, grüßen oder machen ein paar Scherze. „Wir kennen uns alle“, erklärt Balla Sidibé, „schließlich waren wir damals mit Baobab oft in Guinea zu Gast und hatten dort viele Fans.“

Einmal, so erzählt er, habe Guineas Präsident Sékou Touré das Orchester zur Einweihung einer neuen Expressfähre eingeladen. „Als wir dort ankamen, stand überall auf den Minibussen und Taxis ‚On Verra Ca‘ geschrieben – das war der Titel unseres Albums, das damals populär war.“

Legendenstatus sollte die Gruppe jedoch mit ihrem Album „Pirate Choice“ erlangen. Kleine Plattenfirmen in Holland, in Frankreich und in Deutschland pressten das Album, das 1982 erschien und in Senegal auf raubkopierten Kassetten zirkulierte – daher der Titel –, für den europäischen Markt auf CDs. Und für viele war gerade diese Aufnahme der Anlass, sich näher mit der jüngeren Musikgeschichte Senegals zu beschäftigen.

Das Orchestra Baobab galt darin bislang als ein abgeschlossenes Kapitel. Denn in den 80ern wurde der Salsa-Sound, wie ihn die Kapelle repräsentierte, verdrängt durch den populären Mbalax-Stil, der bis heute in Senegal dominiert. Als die Gruppe daraufhin auseinander fiel, zerstreuten sich die Musiker in alle Richtungen: Der Sänger Rudy Gomes wurde Sprachlehrer, der Gitarrist Barthelemy Attisso ging nach Togo zurück und machte dort eine Anwaltskanzlei auf. Auch Balla Sidibé wollte eigentlich mit der Musik aufhören, aber seine Frau und seine Kinder hielten ihn davon ab. So begann er, in Hotels aufzutreten.

Er ist einer der wenigen Exmitglieder von Baobab, die bis heute von ihrer Musik leben. Mit seinem ehemaligen Bandkollegen Rudy Gomis ist er bis heute eng befreundet. „Manchmal kommt Rudy bei mir im Hotel vorbei, und dann singen wir gemeinsam ein paar Lieder“, erzählt Balla Sidibé. „Aber Rudy hat ja einen Job in einer Sprachschule. Da kann er nicht so lange durchmachen wie wir.“

Auf eine Wiedervereinigung des Orchestra Baobab hat Balla Sidibé immer gehofft. Als sich mit der britischen Plattenfirma World Circuit, die schon den „Buena Vista Social Club“ zusammengeführt hatte, plötzlich ein Sponsor für ein Comeback fand, musste man ihn nicht lange bitten. „Als ich die anderen fragte, waren sie erst skeptisch. Aber als wir uns dann trafen, war alles ganz leicht. Wir haben schließlich knapp 25 Jahre unseres Lebens zusammen verbracht. Ich möchte diese Zeit nicht missen – auch wenn wir danach mit leeren Händen dastanden.“

Der Name des Orchesters geht zurück auf den Club gleichen Namens, den ein paar Minister Senegals Anfang der 70er unweit des Regierungspalasts gegründet hatten. Zuvor hatten sie in ganz Dakar die besten Musiker für ihr Orchester angeworben.

„Das Baobab war ein Club für die Elite Dakars“, erzählt Balla Sidibé, „der Präsident schickte hier seine Staatsgäste hin.“ Für sie spielte man sieben Tage die Woche Tanzmusik, oft auf Zuruf: Salsa, Blues, Tango, aber auch Highlife und senegalesische Rhythmen.

Die Orchestermusiker stammten aus allen möglichen ethnischen Gruppen, und vermittelten zwischen den verschiedenen Traditionen. So besaß die Band mit Laye M’Boup einen Griot-Sänger, den die Sänger mit klassisch-kubanischem Chorgesang begleiteten. Auch nachdem M’Boup 1974 bei einem Autounfall gestorben war, behielt Baobab dieses Prinzip bei.

„Baobab machten multiethnische Musik“, erläutert Youssou N’Dour ein paar Tage später in seinem Xippi Studio in einem Nobelvorort Dakars. Sein Respekt für Baobab ist enorm – nicht nur, weil sie in den 70ern Vorbild aller Musiker in Senegal waren. „Die Magie an Baobab ist ihr Sound, aber auch ihre Disziplin und Professionalität. Und die haben sie bis heute nicht verloren.“ Er muss es wissen: Gerade arbeitet er mit den Musikern an den Aufnahmen für ein Comeback-Album des Orchesters.