zahl der woche
: Benzin-Wut, ade

Sprit so billig wie vor zwei Jahren

Die Zwillingstürme eingestürzt, Bodentruppen in Afghanistan, Milzbrand in der Post: dürfen wir noch lachen? Na klar! Täglich an der Tankstelle strahlt die Nation und zapft den Liter Normalbenzin für nur 1,849 Mark. Der Krise sei Dank.

Mehr als 50 Mal haben die Tankstellen in diesem Jahr bereits den Benzinpreis erhöht – bis auf 2,189 Mark. Das war im Mai. Und nun ist der Sprit schon wieder so billig wie Ende 1999 – zwei Ökosteuerstufen zurück. Der Grund: Der Rohölpreis sackte diese Woche unter 20 Dollar pro Fass – der niedrigste Stand seit zwei Jahren.

Doch die Meinungselite lacht nicht mit. Wo ist die Bild-Kampagne zur „Benzin-Heiterkeit“? Warum ruft der ADAC nicht zum Kurztrip mit dem Auto auf? Und wieso hört man Trittin und Eichel nicht frohlocken über Spielraum für die Ökosteuer?

Die Antworten sind klar: Fallende Benzinpreise passen nicht ins Bild des geschröpften Autofahrers, wie es Bild und ADAC penetrieren. Und die Regierung will nicht als Kriegsgewinnler dastehen. Vorm Krieg hatte sie nichts zu lachen, jetzt will sie nicht dabei erwischt werden: Ernst wie eine Milzbrandinfektion, so treten Schröder und Fischer auf.

Pech für die Opposition: Militärisch kann sie die Regierung nicht übertreffen – und nun droht auch noch das einzig sicher geglaubte Wahlkampfthema zu verpuffen, wie ein Schadstoffmolekül im Katalysator.

Auch die Opec ist keine Hilfe. Fröhlich fördert sie weiter, obwohl die Rezessionsangst den Verbrauch sinken lässt. Eigentlich wollte sie bei Preisen unter 22 Dollar pro Fass die Förderung drosseln. Nun purzeln die Energiepreise und die Kaufkraft wächst – ein riesiges Konjunkturprogramm, wie Schröder es nicht besser könnte.

Offiziell nimmt die Opec Rücksicht auf die Anti-Terror-Koalition und will den nervösen Ölmarkt nicht verunsichern. Doch macht ihr auch Russland Sorgen. Dort hält man sich nicht mehr an das Gentleman’s Agreement – die Opec treibt den Preis hoch, die anderen Erdölstaaten verdienen stumm mit. Stattdessen erhöhte Russland die Förderung. Und die Opec bangt nun um ihre Marktanteile.

Nichts zu lachen haben auch alle Umweltfreunde. Aber keine Sorge! Bei diesen Preisen kommt die nächste Ökosteuerstufe bestimmt.

MATTHIAS URBACH